27.06.2023

Fachtagung „Unterstützte Kommunikation heute – Beratung, Versorgung und Bedarfsermittlung"

Das Thema Unterstütze Kommunikation (UK) stieß auf großes Interesse: Über 130 Interessierte nahmen am 23. Juni 2023 an der Online-Fachveranstaltung der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation und der Bundesarbeitsgemeinschaft Beratungsstellen für Kommunikationshilfe e. V. (BAG BKOM) teil.

UK hat das Ziel, die kommunikativen Möglichkeiten von Menschen mit schwer verständlicher oder fehlender Lautsprache zu verbessern. Dabei kommen pädagogische und therapeutische Hilfen sowie Hilfsmittel zum Einsatz. Bei den Hilfsmitteln gibt es eine große Bandbreite – von Bildern, Symbolen und Piktogrammen bis hin zu komplexen Sprachausgabegeräten. Wie der Umgang, die Beratung und die Leistungen bezüglich UK im konkreten Falle in den vergangenen Jahren  aussahen, beschrieb eine Referentin, die ein Sprachausgabegerät nutzt.

Gregor Renner, Professor für Heilpädagogik und Unterstützte Kommunikation an der Katholischen Hochschule Freiburg, stellte die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Teilhabe digital“ zu Digitalisierung, Teilhabe und UK in stationären Wohnsettings vor. In dem Projekt wird der Einsatz moderner Technologien erforscht, der die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit intellektuellen Behinderungen steigern kann. 81 % der befragten Betroffenen möchten mehr digitale Technik nutzen. Bei über 50 % der Betroffenen liegt aus Sicht der Forschenden ein Bedarf für UK vor. Diesem Ergebnis steht aber ein geringer Versorgungsgrad gegenüber.

Wie in Schulen UK umgesetzt werden kann, thematisierte Dr. Angela Ehlers, die Vorsitzende des Verbands Sonderpädagogik. Voraussetzungen seien u. a. die Grundhaltung des Verstehen-Wollens und Einlassens auf alle Formen der Kommunikation und die Bereitschaft sich Fachwissen zur UK anzueignen. Inklusiv arbeitende Schulen sollten Lerninhalte auf mindestens zwei verfügbaren Kommunikationswegen vermitteln. Gemeinsam mit den Betroffenen, Lehrenden und Experten sollten Förderpläne entstehen. Wichtig sei, jedes Kind individuell in seinem Lebensumfeld zu sehen und auch die Übergänge in weiterführende Schulen vorzubereiten und zu erleichtern.

Katrin Lemler ist Rehabilitationswissenschaftlerin an der Universität zu Köln; sie nutzt selbst einen augengesteuerten Sprachcomputer. In ihrem Vortrag stellte sie die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Maßnahmen Unterstützer Kommunikation“ (MUK) vor, in dem UK-Beratungsstellen zu ihrer Arbeit befragt wurden.  Es zeigte sich eine große Vielfalt in der Struktur-, Prozess-, und Ergebnisqualität von UK-Beratungsstellen. Die organisatorischen und personellen Gegebenheiten seien sehr unterschiedlich. Unzureichend geklärt sei derzeit neben der Finanzierung der Beratungsleistung auch die Frage nach qualifiziertem Personal, nach flächendeckenden Beratungsangeboten sowie nach Qualitätsanforderungen.

Wie die Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung im Bereich UK und deren rechtliche Grundlagen aussehen, beleuchtete Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, der Vorsitzende der DVfR. UK-Leistungen können im Rahmen einer Krankenbehandlung, einer Frühförderung, einer Heil- oder Hilfsmittelversorgung erfolgen oder auch in Form von Assistenzleistungen – mit entsprechend unterschiedlichen Kostenträgern. Dr. Schmidt-Ohlemann zog das Fazit, dass eine gute Bedarfsermittlung der Schlüssel sei, für eine hohe Qualität der Versorgung mit UK-Leistungen. Ebenso sei die adäquate Bedarfsermittlung wichtig für die Einpassung in Förder-, Behandlungs-, Teilhabe- und Lehrpläne sowie für die Bereitstellung von Angeboten. Die Bereitschaft, UK systematisch in die Bedarfsermittlung einzubeziehen sei jedoch nicht in allen Diensten und Einrichtungen der Behindertenhilfe gleichermaßen vorhanden.

Ein Workshop mit Impulsvorträgen und Diskussion thematisierte die „Perspektiven der Teilhabebedarfsermittlung und Finanzierung von UK-Leistungen in der Praxis von (UK-) Beratungsstellen“.  Ein weiterer Workshop ging ein auf die „Verankerung bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen und -prozesse“ aus der Perspektive eines Leistungserbringers, des Medizinischen Dienstes sowie der Patientenvertretung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Die lebhafte Diskussion und Beteiligung der Teilnehmenden und Referierenden zeigte die große Bedeutung der UK. Klar wurde, dass die Bedarfsermittlung und der Verordnungsprozess verbesserungswürdig sind.

Da UK-Leistungen meist interdisziplinäre und komplexe Interventionen darstellen, sind einheitliche Vorgehensweisen und Regelungen schwierig.  Auch liegen bisher keine evidenzbasierten Nachweise für Nutzen und Wirkung dieser Leistungen vor. Hier ist noch weitere Forschung notwendig.

Weitere Informationen zur Unterstützten Kommunikation bieten die Bundesarbeitsgemeinschaft Beratungsstellen Kommunikationshilfe e. V. (BAG BKOM) und die Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V. - hier gibt es auch Informationen zu UK-Beratungsstellen sowie eine Suchfunktion für Unterstützungsangebote.

 

Vorträge der Referierenden

Digitalisierung, Teilhabe und UK in stationären Wohnsettings –
Ergebnisse eines Forschungsprojektes

Prof. Dr. Gregor Renner, Kath. Hochschule Freiburg und BAG BKOM

Stand und Perspektiven der Unterstützten Kommunikation aus Sicht von Bildungseinrichtungen am Beispiel der Schulen
Dr. Angela Ehlers, Bundesvorsitzende Verband Sonderpädagogik

Stand und Perspektiven der Unterstützten Kommunikation aus Sicht von Beratungsstellen
Kathrin Lemler, Universität Köln

Bedarfsermittlung von Unterstützter Kommunikation, Teilhabeplanung und deren Umsetzung
Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, DVfR

 
Vorträge in den Workshops (WS)

WS 1: Perspektiven der Teilhabebedarfsermittlung und Finanzierung von UK-Leistungen in der Praxis von (UK-) Beratungsstellen

Grundlagen und Chancen der UK in der Teilhabebedarfsermittlung
Claudia Nuß-Jansen, Cooperative Mensch e.G.

Bedarfsermittlung und Rahmenvereinbarung in Rheinland-Pfalz
Tina Schmidt, Beratungsstelle Neuwied

Finanzierung und Rahmenvereinbarung der UK am Beispiel der Lebenshilfe Gießen
Eva Schönemann und Gabi Mehmet, Lebenshilfe Gießen

Teilhabeplanung und Unterstützte Kommunikation im Rahmen der Beratung durch die EUTB
Tina Zeidler, EUTB Niedrigschwellige Eltern Service Stelle (NESSt) Berlin

 
 WS 2: Verankerung bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen und -prozesse

Unterstützte Kommunikation im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis
Andreas Rieß, Josefs-Gesellschaft

Hilfsmittelversorgung für UK aus der Sicht des Medizinischen Dienstes
Prof. Dr. med. Patrick Schunda, MD Hessen, SEG 5

Versorgung mit Unterstützter Kommunikation aus der Sicht der Patientenvertretung im G-BA
mit Blick auf die Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinie

Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, DVfR