Rehabilitation in Deutschland
In Deutschland hat sich ein gegliedertes System der sozialen Sicherung aus gesetzlicher Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung herausgebildet, das für alle Bürger eine soziale Absicherung gegen Lebensrisiken wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Alter und Behinderung bereitstellt. Daneben ist in Deutschland seit Beginn des 20. Jahrhunderts ein Rehabilitationssystem entstanden, welches Menschen mit Behinderungen bei der Wiedereingliederung in das berufliche und gesellschaftliche Leben unterstützt und ihnen hilft, unabhängiger von sozialen Leistungen zu leben.
Gesetzliche Grundlagen der Rehabilitation
Allgemeine Regelungen enthält das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“. Die Leistungsgesetze der Reha-Träger enthalten spezifische Regelungen zur Rehabilitation. Mit der am 16.12.2016 beschlossenen Reform des Rehabilitations- und Teilhaberechts (Bundesteilhabegesetz) treten stufenweise bis 2023 zahlreiche Änderungen des SGB IX in Kraft.
Maßgebliche Leitlinie für die Ausgestaltung von Rehabilitation und Teilhabe ist die der UN-Behindertenrechtskonvention, insbesondere Artikel 26 Habilitation und Rehabilitation.
Rehabilitationsträger
Reha-Träger sind gem. § 6 SGB IX die gesetzlichen Krankenkassen, die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die Träger der Kriegsopferversorgung und der Kriegsopferfürsorge, die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowie die Sozialhilfeträger.
Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe
Dazu zählen gem. § 5 SGB IX Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen sowie Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
Zuständigkeiten
Welcher Träger für welche Leistung im Einzelfall zuständig ist, hängt von dem Grund und dem Ziel der jeweiligen Reha-Maßnahme ab. Ergänzende Bestimmungen finden sich dazu in den weiteren Sozialgesetzbüchern.
Beispielsweise erbringt die Krankenkasse Leistungen zur ambulanten oder stationären medizinischen Rehabilitation (§ 40 SGB V), wenn Maßnahmen der Krankenbehandlung allein nicht ausreichen, um Krankheitsfolgen zu bewältigen. Nach einem Arbeitsunfall ist die gesetzliche Unfallversicherung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständig (§ 35, § 39 SGB VII). Um den Auswirkungen einer Krankheit auf die Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken, erbringt die gesetzliche Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9, § 10 SGB VI).
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) informiert u. a. über die Ansprechstellen der unterschiedlichen Leistungsträger, bei denen Interessierte Auskunft zum Thema Rehabilitation und Teilhabe bekommen können.
Ein komplexes System
Die historisch gewachsenen unterschiedlichen Zuständigkeiten im deutschen Rehabilitationssystem bieten einerseits die Voraussetzung für hochqualifizierte und auf die jeweiligen Problemlagen bezogene, zielgerichtete Leistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen. Diese hohe Leistungsfähigkeit des deutschen Reha-Systems genießt auch internationale Anerkennung.
Andererseits erschwert das gegliederte System betroffenen Menschen und ihren Angehörigen, aber auch ihren behandelnden Ärzten und Therapeuten den Überblick darüber, welcher Rehabilitationsträger im Bedarfsfall zuständig ist und auf welche Leistungen unter welchen Voraussetzungen die Betroffenen Anspruch haben. Die Forderung nach verbesserten Zugangsmöglichkeiten zu Rehaleistungen, besserer Information und Beratung sowie optimierter Zusammenarbeit der Leistungserbringer und Leistungsträger ist daher noch immer ein Dauerthema.
Eine umfassende Teilhabeförderung ist dann gegeben, wenn Reha-Maßnahmen und andere rehabilitative Leistungen zielführend ineinandergreifen. Voraussetzung ist die umfassende trägerübergreifende Feststellung des individuellen Förderbedarfs mit Festlegung von Teilhabezielen.
„Rehabilitation vor Rente“ und „Rehabilitation vor und bei Pflege“ sind wichtige sozialpolitische Leistungsgrundsätze. Sie verpflichten die Rehabilitationsträger, durch geeignete Reha-Maßnahmen dem Verlust der Beschäftigungsfähigkeit entgegenzuwirken bzw. Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu verringern.
Koordination
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) hat die Aufgabe, die Rehabilitations- und Teilhabeleistungen im Rahmen des geltenden Rechts zu koordinieren und zu fördern, damit die Rehabilitationsträger durch sinnvolles Ineinandergreifen ihrer Leistungen eine umfassende Rehabilitation gewährleisten können.
Die BAR veröffentlicht eine Vielzahl von Fachpublikationen über das gesamte Themenspektrum der Rehabilitation, die auch für Menschen mit Behinderungen wertvolle Informationen bieten. Informationen über das Reha-System in Deutschland enthält bspw. die Broschüre: Rehabilitation und Teilhabe - ein Wegweiser.
Auftrag der DVfR: Reha kontinuierlich weiterentwickeln
Da sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen im Laufe der Zeit verändern, müssen die sozialen Sicherungssysteme von Zeit zu Zeit angepasst werden. Für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Rehabilitation in Deutschland organisiert die DVfR seit über 100 Jahren den Austausch aller Akteure unter gleichberechtigter Beteiligung der Organisationen behinderter Menschen:
"Die Mitglieder der DVfR, ihre Partner in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich gemeinsam in einem interdisziplinären und sektorenübergreifenden, konsensorientierten Diskurs zur Weiterentwicklung von Rehabilitation, Teilhabe und Selbstbestimmung. Mit ihrer umfassenden Expertise analysieren sie die Probleme aus verschiedenen Perspektiven und erarbeiten dafür interessenübergreifende Lösungsvorschläge, deren Umsetzung von der DVfR unterstützt und begleitet wird."
(aus dem Leitbild der DVfR)
Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) – Nationale Aktionspläne
Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) ist ein umfassendes internationales Übereinkommen zur Förderung und zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Sie konkretisiert die universellen Menschenrechte für die speziellen Bedürfnisse und Lebenslagen behinderter Menschen. Zentraler Leitgedanke ist die Idee der Inklusion: Ziel ist, dass Menschen mit und ohne Behinderungen von Anfang an gemeinsam in allen Lebensbereichen selbstbestimmt leben und zusammenleben. In Deutschland wurde die UN-BRK 2009 ratifiziert.
Die Bundesregierung hat seitdem zwei Nationale Aktionspläne auf den Weg gebracht, mit denen sie die Umsetzung der UN-BRK systematisch vorantreiben will; sie hat dabei auch das Thema „Internationale Zusammenarbeit“ aufgegriffen. Die DVfR, für deren Arbeit der Artikel 26 (Habilitation und Rehabilitation) der UN-BRK maßgebende Leitlinie ist, hat sich in die jeweiligen Diskussionsprozesse aktiv eingebracht.
Verbändekonsultationen der UN-BRK-Monitoring-Stelle
Die UN-BRK verpflichtet die unterzeichnenden Staaten in Artikel 33 Absatz 2 zur Einrichtung einer unabhängigen Stelle, die die Umsetzung der UN-BRK überwachen und fördern soll. Die Bundesregierung hat deshalb im Mai 2009 am Deutschen Institut für Menschenrechte eine Monitoring-Stelle eingerichtet, die die Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen fördert und die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland beobachtet und begleitet. Sie berät u. a. Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern, Mitarbeitende in Ministerien und Behörden sowie Gerichten bei Fragen zur UN-BRK. Außerdem führt sie drei Mal im Jahr die sog. Verbändekonsultationen durch, die dem offenen Erfahrungs- und Informationsaustausch der Monitoring-Stelle mit den behindertenpolitischen Verbänden in Deutschland dienen.
Zu den mittlerweile mehr als 60 Organisationen, die an den Konsultationen teilnehmen, gehört auch die DVfR, die dort ihre Positionen einbringt und die Ergebnisse der Konsultationen für ihre Arbeit nutzt.