Konversionsprojekt: Übergang aus Werkstätten in regulären Arbeitsmarkt erleichtern
Der Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) Baden-Württemberg will mit einem Pilotprojekt mehr Werkstattbeschäftigte in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse bringen. Dazu sollen Plätze in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) zu Arbeitsplätzen in Inklusionsbetrieben umgewandelt werden. Das Projekt startete zum 1. Juli 2024.
Im Rahmen des KVJS-Pilotprojekts wird es WfbM-Trägern erstmals ermöglicht, ausgelagerte Arbeitsgruppen und Zweckbetriebe der WfbM rechtlich in einen Inklusionsbetrieb umzuwandeln. In der Folge ändert sich der rechtliche Status der dort beschäftigten Menschen mit Behinderung: weg von einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis innerhalb der WfbM hin zu einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis im Inklusionsbetrieb. Das Konversionsprojekt soll eine Lücke in der Förderlandschaft schließen, schreibt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH). Bisher mussten WfbM ihre Inklusionsbetriebe organisatorisch ausgründen. Eine Förderung von rechtlich unselbstständigen Inklusionsabteilungen bei Trägern von WfbM wurde wegen der Vermengung unterschiedlicher gesetzlicher Aufgaben vom KVJS abgelehnt. Diese Beschränkung wird in dem Pilotprojekt jetzt für eine begrenzte Zahl teilnehmender WfbM aufgehoben.
Gefördert werden zum einen Träger von WfbM (institutionelle Förderung), die bereit sind, ausgelagerte Arbeitsgruppen oder eigene Zweckbetriebe von der Rechtsform der WfbM in die Rechtsform eines Inklusionsbetriebes zu überführen. Zu diesem Zweck können die Träger rechtlich unselbstständige Inklusionsabteilungen bilden, Inklusionsunternehmen ausgründen oder mit bereits bestehenden Inklusionsunternehmen in eigener oder fremder Trägerschaft kooperieren. Zum anderen werden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung gefördert, die vorher in ausgelagerten Arbeitsgruppen oder Zweckbetrieben der WfbM beschäftigt waren und der Zielgruppe der Inklusionsbetriebe nach §215 Abs. 2 SGB IX entsprechen (individuelle Förderung).
„Die Gestaltungsmöglichkeiten werden dadurch größer“, sagte der Leiter des KVJS-Integrationsamts und Initiator des Projekts Berthold Deusch im Rahmen eines Interviews mit dem Online-Magazin „Klarer Kurs“. So können im Konversionsprojekt die Arbeitsverhältnisse mit dem Budget für Arbeit gefördert werden, weil die Beschäftigten gruppenbezogen konvertieren, nicht individuell. Auch kann es in begründeten Fällen Ausnahmen vom üblichen Beschäftigungsverhältnis von je 50 Prozent Menschen mit und ohne Behinderung in Inklusionsbetrieben geben. Dazu Deusch: „Wir wenden hier Ermessen an. Es handelt sich um eine Vorschrift, die in der Regel eingehalten werden soll. Es gibt somit begründete Ausnahmen. Wir weichen auch bei bestehenden Inklusionsunternehmen in begründeten Ausnahmen davon nach oben ab, wenn dadurch der inklusive Aspekt und die Wirtschaftlichkeit nicht gefährdet werden.“ In Baden-Württemberg arbeiten rund 27.000 Beschäftigte im Arbeitsbereich einer WfbM, davon rund 10 Prozent in ausgelagerten Arbeitsplätzen. Ziel des Pilotprojekts ist es, rund 300 Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln.
Von Mitte bis Ende des Jahres 2024 läuft die erste Phase, in der Werkstätten ihr Interesse an einer Konversion bekunden können, eine zweite Phase des Anbahnungsverfahrens wird von Januar bis Juni 2025 laufen. Dabei geht es zunächst darum, das Vorhaben der WfbM genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine Verpflichtung zur Konversion entsteht damit noch nicht. „Der marktwirtschaftliche Druck wird höher sein. Deshalb ist es für uns wichtig, dass sich diese Unternehmen in Bezug auf ihre Marktfähigkeit noch einmal neu aufstellen. Wir bezahlen für die Projekte betriebswirtschaftliche arbeitsrechtliche Beratung“, so Deusch weiter. Auch eine Evaluation ist eingeplant.
Die durch das Modellvorhaben entstandenen Inklusionsabteilungen erhalten einen Bestandsschutz. Sie können auch über die Projektphase hinaus nach den Grundsätzen zur Förderung von Konversionsprojekten als Inklusionsbetriebe weiter gefördert werden. Die Rahmenbedingungen des Projekts waren im Vorfeld u. a. mit der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Baden-Württemberg (LAG WfbM) und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstatträte diskutiert und weiterentwickelt worden. Werkstatträte sollen zudem in lokalen Umsetzungsteams sowie im Begleitkreis zur Evaluation auf Landesebene vertreten sein.
Förderanträge können seit dem 1. Juli 2024 formlos beim KVJS unter der E-Mail-Adresse konversionsprojekt@kvjs.de gestellt werden.
Weitere Informationen
BIH: Übergang aus Werkstätten in regulären Arbeitsmarkt erleichtern
Klarer Kurs (Zugang begrenzt auf Abonnements): Interesse und Bedenken / Interview mit Integrationsamtsleiter Berthold Deusch zum Konversionsprojekt in Baden-Württemberg
Der Paritätische Baden-Württemberg: Projekt zur Konversion von WfbM-Plätzen zu Arbeitsplätzen in Inklusionsbetriebe, Artikel sowie Projektbeschreibungen zum Download auch in Leichter Sprache
(Quellen: Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH), Klarer Kurs, Der Paritätische Wohlfahrtsverband Landesverband Baden-Württemberg)