BMAS veröffentlicht Forschungsbericht zur trägerübergreifenden Teilhabeplanung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit GmbH (IZA) und das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) e. V. mit der Evaluation „Teilhabe gemeinsam planen“ beauftragt. Ziel der Studie ist es, Gründe für die zurückhaltende Nutzung des trägerübergreifenden Teilhabeplanverfahrens sowie einschlägige Hemmnisse zu ermitteln. Der nun veröffentlichte Forschungsbericht weist auch auf möglichen Handlungs- und weiteren Forschungsbedarf hin.
Im Rahmen der zweiten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) wurde zum 1. Januar 2018 ein für alle Rehabilitationsträger verbindliches Teilhabeplanverfahren eingeführt. Das Teilhabeplanverfahren ist Teil des Reha-Prozesses und dann einzuleiten, wenn Leistungen mehrerer Reha-Träger und/oder verschiedener Leistungsgruppen erforderlich sind. Ein Teilhabeplanverfahren kann zudem auf Wunsch der leistungsberechtigten Person erfolgen, auch wenn weder Leistungen aus verschiedenen Leistungsgruppen noch von mehreren Reha-Trägern vorliegen. Verantwortlich für das Teilhabeplanverfahren ist in der Regel der leistende Reha-Träger (§ 14 SGB IX). Die Teilhabeverfahrensberichte der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) zeigen jedoch, dass diese Form der Planung in der Praxis nur selten stattfindet. Im Jahr 2022 wurde lediglich bei 0,27 Prozent aller Anträge eine trägerübergreifende Teilhabeplanung durchgeführt.
Vor diesem Hintergrund wurden das Forschungsinstitut IZA und das IAW vom BMAS mit der Untersuchung „Teilhabe gemeinsam planen“ beauftragt. Im Rahmen der Studie soll der Einsatz des trägerübergreifenden Teilhabeplanverfahrens in der Praxis aus Sicht der Reha-Träger evaluiert und Gründe für den bislang seltenen Einsatz dieses Instruments ermittelt werden. Die Expertise hat einen explorativen Charakter und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und abschließende Befunde.
Grundsätzlich sinnvoll, aber aufwendig und langwierig
Das Instrument sei in den im Rahmen der Studie geführten Experteninterviews als grundsätzlich gut und sinnvoll bewertet worden, insbesondere bei Personen mit komplexen Bedarfen, so das Resümee des Forschungsberichts. Das Vorhaben, Leistungen aus einer Hand zu ermöglichen, werde als erstrebenswert erachtet. Zudem sei positiv hervorgehoben worden, dass Menschen mit Behinderungen durch das BTHG stärker in den Fokus und Reha-Träger durch das Verfahren näher zusammengerückt seien. Ein gemeinsamer Austausch der Träger und der Blick auch auf andere Leistungsrechte sei angeregt worden. Die Erkenntnisse aus Experteninterviews und Fokusgruppen verweisen zugleich aber auch auf Herausforderungen in der Umsetzung des Instruments, die Gründe für dessen geringe Nutzung sein könnten, so beispielsweise:
- Das Teilhabeplanverfahren werde als Teil des Reha-Prozesses insgesamt als langwieriges Verfahren beschrieben. So nähmen nicht nur die Zuständigkeitsklärung und Bedarfsermittlung viel Zeit in Anspruch, sondern auch die Durchführung von Teilhabeplankonferenzen verzögere den Zeitpunkt der Leistungsbewilligung.
- Die zuständigen Fachkräfte und Sachbearbeiterinnen bzw. -bearbeiter müssten sich erst mit dem Verfahren vertraut machen und durch Praxiserfahrungen die notwendigen Handlungskompetenzen erwerben.
- Für die betroffenen Personen stehe aus Sicht der Reha-Träger die Bewilligung der beantragten Leistungen an erster Stelle. Der Nutzen für eine trägerübergreifende Teilhabeplanung erschließe sich den betroffenen Personen nach Auffassung der Reha-Träger oftmals nicht, was dazu führe, dass die Betroffene eine Teilhabeplanung oft nicht aktiv einfordern.
Der Forschungsbericht verbindet diese Erkenntnisse mit Handlungsbedarfen und führt u. a. die folgenden Impulse an:
- praxisnahe und regelmäßig stattfindende Qualifikations- und Schulungsprogramme für die Fachkräfte;
- mehr Transparenz über Leistungen und Verfahren aller Träger;
- Zurverfügungstellung einer aktuellen Übersicht mit konkreten Ansprechpersonen mit vollständigen Kontaktdaten für alle Reha-Trägerbereiche;
- zusätzliche personelle Ressourcen bei den Reha-Trägern;
- praxisbezogene und trägerspezifische Dokumentation oder eine gemeinsamen IT-Schnittstelle zur Datenübermittlung.
Weiteren Forschungsbedarf sehen die Autorinnen und Autoren der Studie vor allem darin, dass die Sicht der betroffenen Versicherten bislang nicht in die Evaluation eingeflossen ist: „Durch die Einbeziehung der Perspektive der betroffenen Personen können nicht nur weitere Gründe für den seltenen Einsatz des Teilhabeplanverfahrens eruiert, sondern auch Informationen über den Mehrwert und Nutzen dieses Instruments für die Betroffenen gewonnen werden.“
Forschungsbericht 645: Teilhabe gemeinsam planen
(Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales)