04.11.2021

Fachtagung „Teilhabesicherung bei psychischen Beeinträchtigungen: Neue Wege durch rehapro und den Psychiatrie-Dialog“

Über 220 Teilnehmende folgten der Einladung der Deutschen Rentenversicherung Rheinland (DRV Rheinland), der Aktion Psychisch Kranker (APK) sowie der DVfR und tauschten sich am 4. November 2021 zur Teilhabesicherung bei psychischen Beeinträchtigungen vor dem Hintergrund des Psychiatrie-Dialogs und des Bundesprogramms „rehapro“ aus. Als Ursache von Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung haben psychische Problemstellungen große Auswirkung auf die Arbeitswelt und die sozialen Sicherungssysteme.

Die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben und an anderen Lebensbereichen für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ist daher eine große Herausforderung. Einerseits gilt es, zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben (regelhafte) Maßnahmen und Angebote zu schaffen, um den Zugang in die Erwerbsminderungsrente und in die Eingliederungshilfe bzw. Sozialhilfe zu vermeiden. Dabei sollten die Bedarfe der Betroffenen passgenau ermittelt und die Niedrigschwelligkeit von Angeboten gesichert werden. Andererseits bedeutet es, die Schnittstellen der verschiedenen Sozialgesetzbücher bzw. des gegliederten Systems aus Versorgung, Prävention, Rehabilitation und Nachsorge im Sinne der Betroffenen und der Teilhabeförderung auszugestalten. Hier setzen der Psychiatrie-Dialog, den das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesprogramm „rehapro“, das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) initiierte, an. Im Fokus der Veranstaltung stand der fachliche Austausch zu beiden Initiativen. Die Moderation übernahm Prof. Dr. Robert Bering, Leiter des DVfR-Fachausschusses „Psychische Beeinträchtigungen“.

Im verlesenen Grußwort zur Veranstaltung unterstrich der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW), Josef Laumann, dass gerade besondere Probleme beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Unterstützungsleistungen bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen bestehen. Daher setzt das Land NRW beispielsweise 14 Projekte des Bundesprogramms „rehapro“ mit rund 13.200 Teilnehmenden und einer Fördersumme von fast 140 Millionen Euro um. Karen Perk, Geschäftsführerin der DRV Rheinland, hob in ihrem Grußwort den hohen Stellenwert der Rehabilitation hervor.

Synergien aus beiden Bundesvorhaben nutzen

Den inhaltlichen Auftakt übernahm Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Vorsitzender der DVfR. Er stellte wesentliche Ergebnisse aus dem Psychiatrie-Dialog unter dem Fokus der medizinischen Rehabilitation vor und folgerte, dass die Schaffung eines ambulanten und mobilen Rehabilitationsangebotes für bestimmte Personengruppen, auch zur Umsetzung von Anschlussrehabilitation, dringlich erscheint und modellhaft erprobt werden sollte. Prof. Dr. Robert Bering ergänzte diese Perspektive durch die Arbeitshypothese des DVfR-Fachausschusses, dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen durch die konsequente Umsetzung eines sektoren- und rechtsraum-übergreifenden Fallmanagements einen verbesserten Zugang zur Rehabilitation erreichen. Voraussetzung dafür sei u. a., dass das SGB IX als gemeinsames Dach der Kooperation und Koordination angenommen und die Ergebnisse aus beiden Bundesvorhaben zur Sicherung einer beruflichen Teilhabe bei psychischen Beeinträchtigungen zusammengeführt werden.

Schaffung bedarfsgerechter, mobiler und ambulanter Rehabilitationsangebote

Im zweiten Veranstaltungsblock verwiesen Ulrich Krüger, APK, und Prof. Dr. Peter Brieger, APK, auf die Chancen eines Zugangs zur Rehabilitation, die sich aus den Handlungsempfehlungen des Psychiatrie-Dialogs ergeben können. Dazu stellten Sie den Psychiatrie-Dialog und einige gesetzliche Handlungsempfehlungen daraus vor. Mit der gesetzlichen Verankerung von mobilen und ambulanten medizinischen Rehabilitationsangeboten können mehr Zugänge in Rehabilitation für psychisch erkrankte Menschen erreicht werden. Mobil meint vor allem im Lebensumfeld der Betroffenen.

Prävention vor Rehabilitation vor Rente: Modellvorhaben rehapro

Andreas Flegel, BMAS, stellte gesetzliche Grundlagen, Ziele und die Ausgestaltung des Bundesprogramms „rehapro“ vor. Das BMAS förderte in der ersten Förderphase 55 Modellprojekte mit einem Volumen von 289 Millionen Euro, in der zweiten 49 Projekte mit einem Volumen von 267 Millionen Euro. Abschließend wurden geförderte Praxis-Projekte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen vorgestellt. Dr. Günter Haaf, DRV Bund, zeigte die Beteiligung der gesetzlichen Rentenversicherung am Bundesprogramm „rehapro“ auf. Er betonte, dass Modellprojekte zur Vermeidung von Erwerbsminderungsrenten von großer Bedeutung sind und um die möglichst frühzeitige Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern. Zudem befördert die träger- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit, die in den Modellprojekten angelegt ist, die Überwindung der Schnittstellen der Leistungsträger Rentenversicherung und Jobcenter, die ihre Leistungen nach unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern erbringen.

Blick in die Praxis

In den beiden Workshops wurden beispielhafte Innovativen und Entwicklungen in Bezug auf medizinische Rehabilitationsangebote für Menschen mit (schweren) psychischen Erkrankungen und aus dem Bundesprogramm „rehapro“ vorgestellt. Auf wesentliche Ergebnisse aus den Workshops nahm das zusammenführende Plenum Bezug.

Lösungen angehen

In seinem Schlusswort zog Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann das Resümee, dass die Impulse der Fachtagung und die daraus vorgeschlagenen Lösungswege ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen: Die quantitativen Angebote der Rehabilitationsreinrichtungen für psychisch kranke Menschen (RPK) sind noch nicht ausreichend. Zudem sind bedarfsgerechte und zugehende Angebote notwendig, beispielsweise an den Schnittstellen des SGB V und SGB IX, die mit den Leistungsträgern erprobt werden sollten. Es geht um passgenaue Angebote im Lebensraum der Betroffenen und ihrer Angehörigen und nicht um den Ausbau stationärer Angebote.

Transfer der Ergebnisse in die weitere Diskussion

Aus der Veranstaltung entstand die Idee für den Workshop „Mobile Rehabilitation bei psychischen Beeinträchtigungen“ am 21.01.2022, der von der BAG Mobile Rehabilitation in Kooperation mit der DVfR, der Diakonie Deutschland und der Aktion psychisch Kranke durchgeführt wurde. Den Bericht zum Workshop und einen Link zu den Präsentationen finden Sie unter den DVfR-Veranstaltungsberichten.
 

Downloads:

Präsentationen der Referentinnen und Referenten

Präsentationen Workshop 1 - Innovativen aus rehapro zur Sicherung der beruflichen Teilhabe

Präsentationen Workshop 2 - Psychiatrie-Dialog: Schwerpunkt Medizinische Rehabilitation