17.05.2023

Verkehrsclub testet Barrierefreiheit von Bus und Bahn

Der VCD Verkehrsclub Deutschland e.V. ist ein gemeinnütziger Umweltverband. Zum Start des „Deutschland-Tickets“ am 1. Mai 2023 hat der VCD untersucht, auf welche Barrieren Menschen stoßen, wenn sie mit Bus und Bahn unterwegs sind. In der daraus entstandenen Broschüre hinterfragt er, warum Bahn und ÖPNV in Deutschland noch nicht barrierefrei sind, und stellt Forderungen auf, die für mehr Barrierefreiheit im Verkehr sorgen sollen.

„Menschen mit Behinderungen haben die gleichen Bedürfnisse wie Menschen ohne Behinderungen: Sie wollen sich flexibel bewegen und selbständig von A nach B kommen. Viele würden außerdem gerne klimaneutral unterwegs sein, sind wegen der Barrieren im ÖPNV aber aufs Auto angewiesen“, stellt der VCD fest. Von der Fahrplan-Information über den Weg zur Haltestelle bis hin zu Bahnsteig oder Bustür – die Barrieren, die der VCD anführt, sind vielfältig. Ticketautomaten seien für viele unbedienbar, die Tarifsysteme kompliziert und die Kosten hoch. Apps seien für viele nicht nutzbar. Nicht abgesenkte Bordsteine, unbefestigte und unebene Wege und steile Rampen behinderten das Fortkommen für Menschen mit Mobilitätseinschränkung. Zu kurze Grünphasen, weder taktile noch akustische Hilfen an Ampeln oder schlechte Beleuchtung – all das könne zum Problem werden.

Darüber hinaus ist dem VCD zufolge die Datenlage schlecht: „Wie es um die Barrierefreiheit von ÖPNV-Haltestellen steht, ist schwer zu beziffern, da die Bundesländer darüber selbst kaum flächendeckende Informationen haben.“ U-Bahnhöfe seien in der Regel gut barrierefrei zugänglich, Aufzüge gebe es meist – sofern sie funktionieren. Bei Bushaltestellen dagegen sieht der Verband erheblichen Nachholbedarf, auch weil der barrierefreie Umbau teuer sei. Dafür würden fast überall nur noch Niederflurbusse eingesetzt, die Fahrzeuge selbst seien also häufig gut barrierefrei zugänglich.

Größtes Problem in den Bahnhöfen: die Bahnsteigkanten, die historisch bedingt unterschiedlich hoch sind. „Dies kann dazu führen, dass man mit demselben Zug am Start- und am Zielbahnhof auf unterschiedlich hohe Stufen trifft. Wirklich barrierefrei ist die Reisekette aber nur, wenn sowohl der Ein- als auch der Ausstieg niveaugleich möglich ist“, so der VCD. Wo kein niveaugleicher Einstieg möglich ist, kommen als Einstiegshilfen mobile Rampen oder Hublifte zum Einsatz. Das Ziel müsse aber sein, dass alle Reisenden ohne Einstiegshilfe, ohne Assistenz durch das Personal und ohne Voranmeldung in den Zug kommen – erst dann sei selbstbestimmte Mobilität auch für mobilitätseingeschränkte Menschen möglich.

VCD-Forderungen:

  1. Standards zur Barrierefreiheit vereinheitlichen und weiterentwickeln: Die jeweils höchsten Standards müssen bundesweit verbindlich gelten – beim Um- und Ausbau von Infrastruktur, bei neuen Fahrzeugen sowie für Informationssysteme und Ticketing.  
  2. Bundesprogramm „Barrierefreier Öffentlicher Verkehr“ auflegen: Der Bund muss die Mehrkosten für hohe Standards bei Neuaufträgen und im Bestand mindestens zur Hälfte mittragen.  
  3. Sanktionen einführen und Verbandsklagen ermöglichen: Die Nichtbeachtung verbindlicher Standards muss sanktioniert werden. Verbänden muss das Klagerecht bei Missachtung der Standards und zur Beseitigung von Barrieren eingeräumt werden. 
  4. Beteiligung verbessern: Beauftragte, Beiräte und Verbände für Menschen mit Behinderung müssen besser in die Planung einbezogen und mit mehr Geld und Personal ausgestattet werden. Das Anhörungsrecht muss um echte Mitbestimmung und eine Kontrollfunktion mit Klagerecht erweitert werden. 
  5. Kompetenzaufbau unterstützen: Landesfachstellen müssen eingerichtet bzw. besser ausgestattet werden, es braucht. Sensibilisierung und Fortbildungen. 
  6. Datengrundlage verbessern und Informationssystem aufbauen: Es braucht öffentlich zugängliche Informationen zur Barrierefreiheit von Bahnhöfen, Haltestellen und deren Umfeld sowie Echtzeitdaten zu eingesetzten Fahrzeugen, Verspätungen und Störungen. Barrierefreie Verbindungen müssen deutschlandweit gesucht und gebucht werden können. 
  7. Bahn stärker in die Pflicht nehmen: Der Bund muss dafür sorgen, dass möglichst schnell alle Züge mindestens vier Rollstuhl-Plätze haben. Diese müssen an allen Haltepunkten stufenlos zugänglich sein. Es muss einen schnelleren barrierefreien Umbau auch von kleineren Bahnhöfen geben. Die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) muss jederzeit erreichbar sein und gewährleisten, dass Hublifte bedient werden, solange Züge fahren. 
  8. Neue Mobilitätsangebote gleich barrierefrei konzipieren: Das betrifft Fahrzeuge zum Beispiel im On-Demand-Verkehr, aber auch digitale Informations- und Buchungssysteme. 
  9. Regeln für Taxen und Mietwagen anpassen: In allen Gemeinden muss eine Mindestzahl an barrierefreien Taxen zur Verfügung stehen, die Fahrgäste im Rollstuhl sitzend befördern können – auch als Ersatzverkehr, wenn die reguläre barrierefreie Verbindung ausfällt oder unterbrochen wird.
  10. Barrierefreie Wegekette auch auf europäischer Ebene anstreben: Die Bundesregierung muss sich für eine Angleichung der Bahnsteighöhen in Europa einsetzen, außerdem für einheitlich hohe Standards und für die Einführung eines Europäischen Schwerbehindertenausweises.

VCD Bahntest 2023/24: Wie barrierefrei sind Bus und Bahn?

(Quelle: VCD Verkehrsclub Deutschland e.V)