02.02.2024

„Teilhabeempfehlungen für eine inklusivere Gesellschaft – auch für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“

Die Teilhabeempfehlungen 2024 aus dem Hause des Bundesbehindertenbeauftragten Jürgen Dusel beleuchten die dringendsten Bedarfe einer Personengruppe, die immer noch stark ausgegrenzt wird: „Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ . Die Publikation weist auf Handlungsfelder für die Politik in den Lebensbereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Digitalisierung und Gewaltschutz hin. Dabei geht es auch um neue Bezeichnungen.

Als wichtiges Handlungsfeld greift die Publikation gleich zu Beginn das Thema „Menschen mit sogenannter ‚geistiger Behinderung‘ – alternative Bezeichnungen“ auf. Der Begriff „geistige Behinderung“ sei diskriminierend und nicht mehr zeitgemäß. In den Teilhabeempfehlungen wird daher – in Anlehnung an die englischsprachige Originalfassung der UN-Behindertenrechtskonvention – die Bezeichnung „intellektuelle Beeinträchtigung“ verwendet. Doch die Diskussion um einen besseren Begriff sei nicht abgeschlossen. Die Antidiskriminierungstelle des Bundes solle eine Stellungnahme erarbeiten und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Diskussion um diesen Begriff in einen politischen Diskurs überführen. Entscheidend sei dabei eine umfassende Partizipation der Expertinnen und Experten in eigener Sache in allen Prozessen.

Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen stoßen im Alltag oft auf enorme Hürden: sei es beim Arztbesuch, auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungsbereich oder bei der Nutzung digitaler Anwendungen. Dusel forderte die Bundesregierung auf, bei der Novellierung des Behindertengleich­stellungsgesetzes (BGG) „mutig und mit Gestaltungswillen“ voranzugehen. Sie müsse einen Gesetzesentwurf vorlegen, der die Situation von Menschen mit Behinderungen maßgeblich verbessere. Auch wies er darauf hin, dass mit der Novellierung des BGG die Bezeichnung dieser Personengruppe geändert werden kann.

Besonders wichtig ist Dusel das Thema Barrierefreiheit. „Für mich steht die Verpflichtung von privaten Anbietern von Produkten und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit an erster Stelle.“ Dies betreffe alle Lebensbereiche – vom Gesundheitssystem über Arbeitsplätze bis zu Restaurants und Freizeitangeboten. Des Weiteren wird gezielt die Schaffung barrierefreier digitaler Gesundheitsleistungen, die Förderung digitaler Inklusion sowie langfristige Maßnahmen im Bereich der Rehabilitation für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen gefordert.

Mit Bezug zum Lebensbereich Arbeit bemängelt Dusel, dass es noch immer nicht gelinge, einer größeren Anzahl von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen die Chance auf eine Beschäftigung außerhalb einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Er empfiehlt, den personzentrierten Ansatz, der Leistungen an den Menschen mit Behinderungen und nicht an den Ort der Leistungserbringung knüpft, konsequent auf das Themenfeld Werkstatt und Teilhabe am Arbeitsleben zu übertragen:

„Bildlich gesprochen erhält der Mensch mit (wesentlichen) Behinderungen einen ‚Rucksack‘, in dem sich Nachteilsausgleiche und Leistungsansprüche befinden, die unabhängig vom selbstbestimmt gewählten Ort des Arbeitens eingelöst und genutzt werden können.“

Einige ausgewählte Empfehlungen zu Bildung und Arbeit beinhalten

  • den Fokus von Berufsorientierungen und Praktika für Schülerinnen und Schüler in Förderschulen auf Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu richten;
  • den Berufsbildungsbereich für Menschen mit Behinderungen auf drei Jahre zu erweitern und Zertifizierungen von beruflichen Kompetenzen und Teilqualifikationen durch Kammern zu ermöglichen;
  • nach Übergang in ein Budget für Arbeit oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung berufsrelevante Kompetenzen zu erfassen und zertifizieren, damit eine Anschlussfähigkeit an Weiterbildungen gegeben ist;
  • auch Arbeitsplätze in Kunst und Kultur in die individuelle Teilhabeberatung aufzunehmen sowie
  • an Hochschulen zum einen für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen spezifische Bildungsangebote zu schaffen, zum ihnen ein regelhaftes Studium zu ermöglichen.

Die Teilhabeempfehlungen sind das Ergebnis von Fachgesprächen mit Expertinnen und Experten in eigener Sache, Organisationen und Verbänden. Sie sollen für die Perspektiven von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen sensibilisieren und insbesondere der Bundesregierung einen Handlungsleitfaden für diese Bereiche anbieten. Darüber hinaus sollen diese sowohl im Parlament als auch in der breiten Öffentlichkeit eine Debatte darüber anstoßen, was noch zu tun ist.

Die „Teilhabeempfehlungen für eine inklusivere Gesellschaft – auch für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen“ sind auf der Seite des Behindertenbeauftragten in Alltagssprache wie auch in Leichter Sprache abrufbar:

Zu den Teilhabeempfehlungen

BMAS-Mitteilung: Mehr Teilhabe in allen Lebensbereichen

(Quellen: Bundesbehindertenbeauftragter, Bundesministerium für Arbeit und Soziales)