08.02.2024

Lebenshilfe: Kein erzwungener Umzug in Pflegeheim

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe fordert in ihrem aktuellen Positionspapier „Für eine gute Pflege auch für Menschen mit Behinderung in besonderen Wohnformen“, dass Betroffene mit einem hohen Pflegebedarf in ihrem Wohnumfeld bleiben dürfen und nicht zum Umzug in ein Pflegeheim gezwungen werden. Dazu soll es verschiedene Änderungen im SGB IX und SGB XI geben.

Die Lebenshilfe konstatiert, dass die Leistungen für Pflege und Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung und höheren Pflegebedarfen schon lange nicht mehr ausreichend sind. Deshalb gibt es lange Wartelisten, einen Mangel an Angeboten für Menschen mit hohen Unterstützungsbedarfen und immer wieder müssen Betroffene aus einer besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe in ein Pflegeheim umziehen. (Besondere Wohnformen sind u. a. das ambulant betreute Wohnen, spezielle Wohnheime, Wohngruppen oder Wohngemeinschaften mit Betreuung.) Die Lebenshilfe fordert deshalb die ersatzlose Streichung von § 103 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB IX, damit Eingliederungshilfe in besonderen Wohnformen auch in Zukunft die Pflege umfasst, unabhängig davon, wie hoch der Pflegebedarf ist.

Nach § 43a SGB XI beteiligt sich die Pflegeversicherung bei Menschen in besonderen Wohnformen mit maximal nur 266 Euro monatlich (ab Pflegegrad 2) an den Kosten der Pflege. „Obwohl die Bewohner*innen von besonderen Wohnformen ebenfalls Mitglieder der Pflegeversicherung sind, erhalten sie damit deutlich weniger Leistungen seitens der Pflegeversicherung als andere Versicherte“, moniert die Bundesvereinigung. Deshalb plädiert sie für Änderungen im § 43a SGB XI und auch für weitere Änderungen im SGB IX.

Gefordert wird die Anpassung des sogenannten „Mehrkostenvorbehalts“ in § 104 Abs. 2 und 3 SGB IX. In seiner derzeitigen Ausgestaltung verhindere er in aller Regel, dass Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf auch außerhalb von besonderen Wohnformen leben können.

Die Lebenshilfe sieht darüber hinaus Handlungsbedarf bei den Wohnangeboten: „Für Menschen mit hohem Pflege- und Unterstützungsbedarf sind Wohnangebote aufgrund der unzureichenden Finanzierung und dem hohen personellen Aufwand rar. Dem muss entgegengewirkt werden, indem sich sowohl die Pflegeversicherung als auch die Eingliederungshilfe angemessen an den Kosten beteiligt,“ erläutert das Positionspapier.

Bei der Politik seien diese Probleme angekommen; trotz einer Ankündigung im Koalitionsvertrag sei die Regierung aber noch nicht aktiv geworden.

Positionspapier „Für eine gute Pflege auch für Menschen mit Behinderung in besonderen Wohnformen“ vom Januar 2024; in Alltags- und Leichter Sprache

Die DVfR veröffentlichte im Februar 2024 einen Fachbeitrag "Erzwungene Umzüge im Rahmen von § 103 Abs. 1 S. 2 SGB IX – potenziell verfassungswidrig und in jedem Fall gerichtlich überprüfbar – Teil I: Zur Frage des Rechtsschutzes für Betroffene von erzwungenen Umzügen im Rahmen von § 103 Abs. 1 S. 2 SGB IX" von Annas Al Hariri, Universität Kassel,

sowie im April 2023 einen Fachbeitrag „Zur Forderung nach Streichung des § 43a SGB XI“ von Prof. Dr. Harry Fuchs.

(Quelle: Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.)