27.04.2022

Bericht: COVID-19 und Menschen mit Behinderungen in Europa

Die EU-Kommission hat Länderberichte veröffentlicht, die sich mit den Auswirkungen der Pandemie befassen und über die nächsten Schritte zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen informieren. Prof. Dr. Marianne Hirschberg und Prof. Dr. Felix Welti haben den Bericht für Deutschland erstellt und auf zentrale Anliegen wie digitale Barrierefreiheit und den Ausbau inklusiver Arbeitsmöglichkeiten hingewiesen.

Die rechtliche und ordnungspolitische Grundlage des Katastrophenmanagements zur Bewältigung der Corona-Pandemie in Deutschland ist das Infektionsschutzgesetz des Bundes, das von den Ländern und Kommunen umgesetzt wird. Der Bericht konstatiert:

„Die Maßnahmen in der Pandemie beruhen auf politischen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern. Eine institutionalisierte Beteiligung von Menschen mit Behinderungen gibt es nicht. Allerdings befassen sich die Behindertenbeauftragten auf Bundes- und Länderebene mit Fragen, die für Menschen mit Behinderungen relevant sind.“

Die Autorin und der Autor gehen in ihrem Bericht u. a. auf das Pandemiemanagement, die Sterblichkeitsrate, die Zugänglichkeit von Gesundheitsversorgung, Rehabilitation und medizinischen Notfalldiensten, den Zugang zur Bildung, zur Arbeit und den Zugang zum Recht ein. Zu den wichtigsten negativen Auswirkungen der Corona-Krise auf Menschen mit Behinderungen zählen sie

  1. die negativen Einflüsse auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt,
  2. die negativen Einflüsse auf die Rehabilitation und Therapie von Menschen mit Behinderungen in stationären und ambulanten Einrichtungen,
  3. die Schließung von Schulen, verbunden mit unzureichenden und nicht zugänglichen digitalen Lernangeboten.

Positiv unterstreicht der Bericht hingegen, dass die staatliche finanzielle Unterstützung von sozialen Diensten und Einrichtungen zur Stabilisierung der sozialen Infrastruktur für Menschen mit Behinderungen beigetragen hat, da die Dienste auch dann bezahlt wurden, wenn sie aufgrund der Pandemie nicht tätig werden konnten. Des Weiteren, dass bei der Priorisierung von Impfungen Menschen mit Behinderungen berücksichtigt wurden und der Zugang zu Einkommensunterstützung während der Pandemie erleichtert wurde.

Empfehlungen

Mit Blick auf die negativen Auswirkungen betont der Bericht, dass die Zugänglichkeit der digitalen Bildung für alle Gruppen von Menschen mit Behinderungen eine wichtige Herausforderung für die nächsten Jahre sein werde. Digitale Lernplattformen und Unterrichtsmaterialien müssten barrierefrei zugänglich sein, und die schulische Unterstützung für das Lehren und Lernen aus der Ferne müsse gewährleistet werden.

Um der steigenden Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen entgegenzuwirken, empfiehlt der Bericht die Einrichtung von Programmen zur Weiterbildung, Qualifizierung und Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, insbesondere für schwerbehinderte Menschen. Eine besondere Herausforderung sei es, die Chancen von Fernarbeit und digitalen Arbeitsplätzen für den Aufbau inklusiverer Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu nutzen und die Barrierefreiheit digitaler Arbeit sicherzustellen.

Mit Blick darauf, dass die meisten Opfer des Coronavirus Menschen in Heimen waren und die Unterbringung in Heimen im Widerspruch zur Perspektive des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) steht, empfiehlt der Bericht, dass Deutschland grundsätzlich weiter an der Deinstitutionalisierung und an Alternativen zum Leben in der Gemeinschaft arbeiten muss.

Der 58-seitige Bericht liegt, wie auch die Berichte anderer EU-Staaten, in Englischer Sprache auf der Seite des Publications Office of the European Union vor:

COVID-19 and people with disabilities: assessing the impact of the crisis and informing disability-inclusive next steps: Germany, 2022; https://data.europa.eu/doi/10.2767/876008

(Quelle: Europäische Kommission)