15.09.2023

Abschließende Bemerkungen: Der UN-Fachausschuss ist besorgt

Nach der kombinierten zweiten und dritten Staatenprüfung Deutschlands Ende August 2023 hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Abschließende Bemerkungen („Concluding Observations“) veröffentlicht. Der Ausschuss zeigt sich besorgt über die in Deutschland unzureichende Entwicklung hin zu einer umfassenden Inklusion und Partizipation und gibt deutliche Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).

Der Ausschuss kritisiert insbesondere die Anwendung eines medizinischen Modells der Behinderung statt eines menschenrechtlichen Modells in vielen Rechtsgebieten des Bundes und der Länder. Die Definition von Behinderung in Gesetzen und Richtlinien müsse Deutschland mit den allgemeinen Grundsätzen und Bestimmungen der UN-BRK in Einklang bringen.

Der Ausschuss ist zudem besorgt über die Umsetzung der Artikel 5 bis 30 der UN-BRK wie z. B. Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung von Menschen mit Behinderungen, insbeson­dere auch Frauen- und Kinderrechte sowie Rechte geflüchteter Menschen mit Behinderungen, das Recht auf eine selbstbestimmte Lebensführung, Zugang zu Bildung, Kultur, Gesundheit und weitere Bereiche. Mit Blick auf die Angaben zur Schulbildung nennt der Aus­schuss die weiterhin bestehende schulische Exklusion in Deutsch­land mit verschiedenen Sonderschulformen und -klassen. Besorgt ist der Ausschuss auch über die häufige Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von Personen mit hohem Unterstützungsbedarf sowie die hohe Anzahl von Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten. Hier sollte Deutschland in allen Bundes­ländern eng mit Organisationen von Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten und einen Aktionsplan zur Förderung von Übergängen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ent­wickeln, inklusive eines konkreten Zeitrahmens und entsprechenden Ressourcen. Eine weitere Empfehlung betrifft die Umstrukturierung des Berufsbildungssystems und die Umsetzung von Maß­nahmen zur Gewährleistung von Zugänglichkeit und Inklusion im Bereich der beruflichen Rehabilitation und Arbeit.

Das Thema Behinderung ist noch nicht in allen staatlichen Stellen verankert. Auch fehle es an einer systematischen Überprüfung der bestehenden Gesetze, Regelungen und Verord­nungen. Ein großer Kritikpunkt ist, dass Organisationen von Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend an allen für sie relevanten Entscheidungen beteiligt würden und es keine systematische Zusammenarbeit gebe. Auch bei der Entwicklung und Umsetzung von Gesetzen, Richtlinien, Programmen und Vorschriften zur Umsetzung der Konvention fehle es an einer aktiven Einbindung von Menschen mit Behinderungen. Auch wird bemängelt, wie uneinheitlich die Anstrengungen in den Bundesländern seien, es zeige sich eine unzureichen­de Menschenrechtsperspektive in den Aktionsplänen vieler Länder.

Der Ausschuss empfiehlt Deutschland, insbesondere Strategien zu entwickeln, um das Bewusstsein und Engagement aller Regierungsstellen zu stärken, so dass Behinderung als Querschnittsthema in allen Bereichen von Staat, Gesellschaft und Recht wirksam verankert wird. Des Weiteren sollten dem Ausschuss zufolge der Schutz vor Diskriminierung und die Rechte aus der UN-BRK auf alle privaten Einrichtungen ausgeweitet werden, die Waren und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit bereitstellen. Zusätzlich sollten Möglich­keiten geschaffen werden, um diese Rechte durchzusetzen.

Die Abschließenden Bemerkungen sind in englischer Sprache unter folgendem Link abrufbar: Concluding Observations

(Quelle: Vereinte Nationen)