Stellungnahme der DVfR zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes – Vermeidung einer pandemiebedingten Triage
Die Bundesregierung will mit der vorgelegten Änderung des Infektionsschutzgesetzes den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Rechnung tragen, Menschen mit Behinderungen wirksam vor einer Benachteiligung bei einer Verknappung überlebenswichtiger intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten, beispielsweise in einer Pandemie, zu schützen. Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) begrüßt das erkennbare Bemühen des Gesetzgebers, klare Entscheidungskriterien für den Fall einer pandemiebedingten Triage zu entwickeln. Es wird dennoch Klarstellungsbedarf gesehen.
Mit dem Beschluss des BVerfG besteht seit dem 16. Dezember 2021 ein Auftrag an den Gesetzgeber, geeignete Vorkehrungen für einen hinreichend wirksamen Schutz vor einer möglichen Benachteiligung im Fall einer Triage-Situation zu treffen (Az. 1 BvR 1541/20). „Triage“ bezeichnet ein Verfahren zur Priorisierung medizinischer Leistungen bei unzureichenden Ressourcen und ist eine ethisch schwierige Situation.
Die wichtigste und sicherste Strategie zur Rettung des Lebens schwer erkrankter Bürgerinnen und Bürger sowie zur Vermeidung von Diskriminierungen im Falle einer Triage ist aus Sicht der DVfR die Bereitstellung ausreichender Behandlungskapazitäten. Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 2. Juni 2022 enthält bei nicht ausreichenden Ressourcen einen Katalog mit Kriterien, die für eine Zuteilungsentscheidung zu Behandlungen nicht herangezogen werden dürfen. Das Risiko einer Diskriminierung kann dadurch reduziert werden. Bei einer Festlegung auf eine Priorisierung anhand der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit werde aber in Kauf genommen, dass Menschen mit Behinderungen zumindest mittelbar aufgrund ihrer häufig schlechteren aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit weiterhin benachteiligt werden könnten. Eine Einigung auf dieses Zuteilungskriterium betrachtet die DVfR als unvollkommene Lösung.
Das Verbot einer Ex-Post-Triage wird begrüßt. Es sollte zudem gesetzlich klargestellt werden, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben, ins Krankenhaus aufgenommen zu werden, wenn sie eine Krankenhausbehandlung benötigen. Menschen, die in Pflegeeinrichtungen oder besonderen Wohnformen leben, dürfen nicht von einer Krankenhausaufnahme ausgeschlossen werden. Weitere Notwendigkeiten eines diskriminierungsfreien Zugangs zu intensivmedizinischer Behandlung betreffen eine nachvollziehbare Entscheidungsfindung und deren Dokumentation, Verfahrensanweisungen in den Krankenhäusern und deren Evaluation, barrierefreie Informationen und Aufklärungen sowie Anforderungen an die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten.
Zu weiteren Aspekten und Begründungen wird zudem auf die Positionierungen der DVfR-Mitglieder verwiesen.
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