14.12.2022

Mangelnde gynäkologische Versorgung von Frauen mit Behinderungen

Bundesweit gibt es viel zu wenige spezielle gynäkologische Sprechstundenangebote für Frauen mit Behinderung, moniert die „Politische Interessenvertretung behinderter Frauen“ im „Weibernetz e. V.“ Sie fordert anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte am 10. Dezember deutschlandweit barrierefreie gynäkologische Praxen.

Eine wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Bielefeld zur frauenärztlichen Versorgung (2019) kommt zu dem Schluss: „Die Ergebnisse der Studie bestätigen die defizitäre gynäkologische Versorgungssituation für Frauen mit Behinderung aufgrund unzureichender wohnortnaher barrierefreier Praxen.“ Bereits eine Evaluation der Versorgungssituation im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 2016 zeigte eine defizitäre Situation mit langen Wartezeiten und Anfahrten. Im Bericht zur „Gesundheitlichen Lage der Frauen in Deutschland“ von 2020 schreibt das Robert Koch-Institut: „In Deutschland stehen bisher nur fünf auf die gynäkologische Behandlung von Frauen mit Behinderungen spezialisierte Spezialambulanzen und gynäkologische Sprechstundenangebote zur Verfügung.“

Brigitte Faber, Projektleiterin der Politischen Interessenvertretung, beklagt: „Auch 13 Jahre nach In-Kraft-Treten der UN-Behindertenrechtskonvention haben Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen noch keinen annähernd gleichwertigen Zugang zur gynäkologischen Versorgung, wie ihn Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention vorsieht. Im Gegenteil! Es gibt deutschlandweit nur drei bis vier Spezialambulanzen beziehungsweise spezielle gynäkologische Sprechstunden für Frauen mit Behinderung.“

Es fehle etwa an höhenverstellbaren Untersuchungsstühlen, rollstuhlgerechten Toiletten, blindengerechter Kennzeichnung und Ausstattung der Praxen, Beratung und Informationen in Gebärdensprache und Leichter Sprache, so Faber. Ein höherer Zeitaufwand für Untersuchung und Beratung werde außerdem nicht vergütet. Die Projektleiterin sieht Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen weiterhin außen vor, wenn es um Fragen der Verhütung, Schwangerschaftsbegleitung oder Vorsorgeuntersuchungen geht.

Das Problem der ungenügenden frauenärztlichen Versorgung hat Weibernetz e. V. in einem animierten Erklärfilm veranschaulicht, der auch mit Audiodeskription und Gebärdensprachübersetzung vorliegt. Die Praxen sollten unterstützt werden beim Abbau von Barrieren und die gynäkologische Behandlung von Frauen mit Behinderungen müsse Teil der medizinischen Ausbildung werden, so das Video.

Das „Weibernetz e.V.“ macht sich für die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen mit Beeinträchtigungen stark. Es setzt sich gezielt für die Stärkung der Gleichstellung, der Gleichberechtigung und des Gewaltschutzes durch Partizipation und Vernetzung ein. Gefördert wird die Interessenvertretung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Weitere Informationen

Abschlussbericht zur Studie der Universität Bielefeld: „Evaluation von Spezialambulanzen und gynäkologischen Sprechstundenangeboten zur gynäkologischen und geburtshilflichen Versorgung von Frauen mit Behinderung", Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Arbeitsgruppe 7 – Umwelt und Gesundheit, Prof. Dr. Hornberg, Claudia et al (2019)

Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland - Gesundheitsberichterstattung des Bundes gemeinsam getragen von Robert Koch-Institut (RKI) und Destatis, Hrsg.: RKI, 2020 - Kapitel 9 „Gesundheit von Frauen mit Behinderungen"