29.07.2021

Mangel an barrierefreien Wohnungen

Jede fünfte Person hierzulande ist über 65 Jahre alt und rund 7,9 Millionen Menschen haben Behinderungen. Der Bedarf an barrierefreien Wohnungen ist also sehr groß. Derzeit erfüllen aber nur zwei Prozent der Wohnungen die Merkmale barrierefreien Wohnens. Das nordrhein-westfälische Bündnis „Wir wollen wohnen!“ setzt sich für Mieterrechte ein und organisierte im Rahmen einer Veranstaltungsreihe ein Online-Event zu Thema „Barrierefreies Bauen und Wohnen – geht uns alle an!“

Verbände und Institutionen diskutierten v. a. mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl den Mangel und die Probleme beim barrierefreien Wohnen und Bauen. „Das große Interesse an den Videokonferenzen und die regen Diskussionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben in der Tat gezeigt, wie wichtig unsere Aktivitäten in diesem Bereich sind“, sagte Carsten Ohm, der den VdK NRW als Bereichsleiter Sozialpolitik und Bildung vertreten hatte.

Die NRW-Landesregierung habe zuletzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Standards für das barrierefreie Bauen in unverantwortlicher Weise verwässern würde, so der VdK. „Gemeinsam mit der Architektenkammer und der Behindertenbeauftragten für Nordrhein-Westfalen setzen wir uns für eine klare Rechtslage ein“, versprach Carsten Ohm, nachdem er die dritte Änderung der hiesigen Bauordnung in nur fünf Jahren kritisiert hatte. „Ansonsten sind nicht etwa die Bauherren verantwortlich, sondern die Mieterinnen und Mieter müssen mit ihnen verhandeln, dass sie in der Wohnung zurechtkommen.“

Andere Wege geht zum Beispiel der WSG Wohnungs- und Siedlungs-GmbH. Die Tochtergesellschaft des VdK-Landesverbands entwickelt seit vielen Jahren Projekte für das inklusive Zusammenleben unterschiedlichster Menschen mit und ohne Behinderung. Um das zu demonstrieren, hat sich das Unternehmen bei der Modernisierung des „Glockenspitz“ in Krefeld etwa an den DIN-Normen orientiert und die Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen aus der Landesbauordnung von 2016 umgesetzt. Das Ergebnis bestätige, was auch mehrere Studien zeigen, dass barrierefreies Bauen maximal ein Prozent teurer sei, so die WSG GmbH. „Das ist also kein Hirngespinst oder Wolkenkuckucksheim, sondern das sind die tatsächlichen Mehrkosten, die auf einen zukommen bei einem guten Konzept“, erläuterte Carsten Ohm, der die Planungen zusammen mit weiteren VdK-Verantwortlichen fachlich betreut hatte.

Unverzichtbar sei selbstverständlich auch die Einbeziehung der Bedürfnisse der Betroffenen. Grundsätzlich hätten Menschen, die auf Unterstützung oder Assistenz angewiesen sind, im Rahmen einer Befragung hervorgehoben, dass sie wie jede und jeder andere wohnen möchten – nämlich individuell mit Autonomie und Selbstbestimmung und gleichzeitig mittendrin in einer gemischten Mieterschaft.

Trotz des rechtlichen Anspruchs gebe es hierfür allerdings viel zu wenig Angebote, wie auch Susanne Tyll, Leiterin der Koordination Wohnberatung NRW, bemängelte. „Nach einer aktuellen Prognose des Landes müssen bis 2040 rund 700.000 altersgerechte Wohnungen neu entstehen.“ Zudem lebten 2020 nur 18 Prozent der Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen in einem barrierefreien Zuhause, weshalb in Zukunft alle Neubauten entsprechend der einschlägigen DIN-Normen erreichtet werden sollten.

Im Bündnis „Wir wollen wohnen“ engagieren sich acht NRW-Landesvertretungen der Organisationen: Deutscher Mieterbund, Der Paritätische, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Diakonie, Sozialverband VdK und Sozialverband Deutschland (SoVD).

(Quellen: Bündnis „Wir wollen wohnen!“, VdK NRW, Statistisches Bundesamt)