01.08.2018

LSG-Entscheidung zu Rehabilitationsmaßnahme bei Demenzerkrankung

Auch Menschen mit Demenzerkrankungen können von einer stationären Reha profitieren. Das bekräftigt eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Stuttgart vom 17. Juli 2018. Die Krankenkasse habe die jeweiligen Aussichten individuell zu prüfen und zu würdigen, begründeten die Richter des LSG und verurteilten eine Krankenkasse, die Kosten für eine vierwöchige Reha-Maßnahme einer an Demenz erkrankten 78-Jährigen zu erstatten (Urteil vom 17.07.2018, Aktenzeichen L 11 KR 1154/18).

Die Versicherte hat seit 2013 Alzheimer. Ihre behandelnden Fachärzte für Neurologie befürworteten und beantragten 2016 eine stationäre Reha-Maßnahme in einem speziell auf Alzheimer-Patienten ausgerichteten Therapiezentrum. Sie prognostizierten einen positiven Einfluss der Behandlung auf den Krankheitsverlauf ihrer Patientin und hielten diese für ausreichend motiviert und sowohl physisch als auch psychisch fähig zur Teilnahme an der Reha. Als Rehabilitationsziele wurden körperliche und geistige Aktivierung und Hilfe zur teilweisen Selbsthilfe genannt.

Antrags- und Widerspruchsverfahren

Der von der Krankenkasse eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) kam zu dem Schluss, es bestehe keine Reha-Fähigkeit und keine positive Reha-Prognose, ohne auf das Krankheitsbild der Versicherten und die von den Ärzten genannten Ziele einzugehen. Die Krankenkasse lehnte die Gewährung der Reha-Maßnahme ab. Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht Mannheim blieben erfolglos.

Die Versicherte beschaffte sich darauf die Reha-Maßnahme selbst und führte in Begleitung ihres Ehemannes einen vierwöchigen Aufenthalt im Alzheimer-Therapiezentrum durch. Vor dem LSG Stuttgart ging sie in Berufung.

Berufungsverfahren und Begründung der Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das LSG die Krankenkasse nun zur Übernahme der Kosten der Maßnahme verurteilt. Die Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse sei rechtswidrig gewesen, weil sie die individuellen Verhältnisse, Art und Schwere der Erkrankung und die für die Versicherte möglichen und wichtigen Behandlungsziele nicht ausreichend geprüft und gewürdigt, sondern sich nur auf die unzureichende, spekulativ anmutende, ablehnende Stellungnahme des MDK gestützt habe.

Ein Anspruch auf Rehabilitation setzt Behandlungsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Alle drei Voraussetzungen hätten vorgelegen, wie sich nicht nur aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte ergebe, sondern auch aus dem Entlassungsbericht der Reha-Einrichtung. Wegen der umfangreichen Behandlungen sei eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen. Auch die Begleitung des Ehemannes war aus Sicht der Richter nachvollziehbar. Die Versicherte habe sich an allen Therapieangeboten beteiligen können, sei im Kontakt mit anderen Familien kommunikativer geworden und habe in den Bereichen Motorik und Ausdauer Fortschritte gemacht. Die nonverbalen Therapieeinheiten (Bewegungstherapie, z. B. Ballspiele, Bewegung nach Musik), musikorientierte Gruppen (z. B. Singen) sowie alltagsorientierte Therapie (tiergestützte Therapie, Spiele) hätten einen antriebs- und stimmungssteigernden Effekt erzielt.

Die Krankenkasse muss der Versicherten daher – abzüglich des Selbstbehalts – die Restkosten in Höhe von rund 5.600 € erstatten.

Weitere Informationen

Landessozialgericht Baden-Württemberg: Stationäre Rehabilitation auch bei Demenzerkrankten möglich

(Quelle: LSG Baden-Württemberg, PM vom 24.07.2018)


Weitere Entscheidungen zum Rehabilitations- und Teilhaberecht finden sich auch in der

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