02.04.2012

Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland

Die vorliegende Studie wurde von 2009 bis 2011 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) und weiteren Kooperationspartnern durchgeführt. In der repräsentativen Untersuchung sind insgesamt 1561 Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen im Alter von 16 bis 65 Jahren, die im Haushalt und in Einrichtungen leben, zu ihren Erfahrungen von körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt befragt worden.

Sowohl in Einrichtungen als auch in privaten Haushalten ist eine hohe Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen mit den unterschiedlichsten Behinderungen, vor allem aber mit psychischen Erkrankungen, geistigen Behinderungen, Blindheit und Gehörlosigkeit vorhanden. Schon von Kind an leiden viele Frauen unter Diskriminierung und verschiedenen Formen der Gewalt. Ein Ausweg ist für viele schwierig, da sie entweder vom Partner oder dem Pflegepersonal abhängig sind und nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Bewohnerinnen von Einrichtungen haben zudem oft nicht die Möglichkeit, Kontakt nach außen aufzunehmen.

Die hohe Gewaltbetroffenheit aller Befragungsgruppen der vorliegenden Studie macht deutlich, dass Frauen mit Behinderungen bislang unzureichend vor körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt geschützt und zudem vielfältigen Formen von Diskriminierung und struktureller Gewalt ausgesetzt sind. Verstärkte Aktivitäten sind erforderlich, um niedrigschwellige und barrierefreie Schutz- und Unterstützungsangebote für Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen bereitzustellen. Ärzte und Ärztinnen können bei der Vermittlung von Information und Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen eine wichtige Rolle spielen. Aber auch der konsequente Schutz und die Verhinderung von Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen, die in Einrichtungen leben, muss ein Ziel künftiger Gewaltprävention sein.

Darüber hinaus ist eine erhöhte Sensibilität im Hinblick auf potentiell Grenzen verletzende Situationen in Pflege-, Unterstützungs- und anderen Abhängigkeitssituationen gerade auch vor dem Hintergrund der sehr häufig bereits ab Kindheit und Jugend erlebten Grenzverletzungen durch sexuelle und psychische Gewalt geboten. Neben der Wahrung von Intimgrenzen und Privatsphäre ist dazu auch auf die Selbstbestimmung im Rahmen des Lebens in Einrichtungen und in Pflegesituationen hinzuwirken.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der vorliegenden Studie sind zielgruppenspezifische Präventions-, Interventions- und Unterstützungsmaßnahmen zu entwickeln, die zu einem nachhaltigen Abbau von Gewalt und Diskriminierung gegenüber Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen beitragen.