30.05.2023

Kritik an verabschiedeter Pflegereform

Am 26. Mai 2023 hat der Bundestag das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) verabschiedet. Die Bundesregierung reagierte mit dem Gesetz auf die stark gestiegenen Kosten in der Pflege. Verbände kritisieren diese Pflegereform als unzureichend.

„Die Pflegebedürftigen haben unsere volle Solidarität verdient. Da die Kosten von guter Pflege ständig steigen, darf die Solidargemeinschaft nicht wegschauen und diese höheren Kosten den zu Pflegenden und ihren Angehörigen überlassen,“ unterstreicht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Neben Verbesserungen für pflegende Angehörige und die Betroffenen soll die Pflegereform die Arbeitssituation von Pflegekräften verbessern, die Pflegeversicherung durch eine Beitragserhöhung um 0,35 % finanziell stabilisieren sowie Eltern mit Kindern durch einen niedrigeren Beitragssatz entlasten. In einem zweiten Schritt sollen sämtliche Leistungsbeträge zum 1. Januar 2025 nochmals spürbar angehoben werden.

Die Bundesregierung will durch folgende Regelungen insbesondere die Pflege zu Hause stärken:

  • Das Pflegegeld wird zum 1. Januar 2024 um 5 % erhöht.
  • Die ambulanten Sachleistungsbeträge werden zum 1. Januar 2024 um 5 % angehoben.
  • Das Pflegeunterstützungsgeld kann ab 1. Januar 2024 von Angehörigen pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden und ist nicht mehr beschränkt auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person.
  • Die Zuschläge (nach § 43c SGB XI), die die Pflegekasse an die Pflegebedürftigen in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, werden ab 1. Januar 2024 erhöht.
    Die Sätze werden von 5% auf 15% bei bis zu 12 Monaten Verweildauer angehoben,
    von 25 % auf 30 % bei 13 - 24 Monaten,
    von 45 % auf 50 % bei 25 - 36 Monaten und
    von 70 % auf 75 % bei mehr als 36 Monaten.
  • Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 werden die Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert. Langfristige Veränderungen werden noch erarbeitet.
  • Die komplex und intransparent gewordenen Regelungen zum Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit in § 18 SGB XI werden neu strukturiert und systematisiert, so dass verfahrens- und leistungsrechtliche Inhalte in voneinander getrennten Vorschriften übersichtlicher und adressatengerechter aufbereitet sind.

Einige Sozialverbände sind mit der Anhebung des Pflegegeldes um nur 5 % bei gleichzeitig hoher Inflation nicht zufrieden. Begrüßt wurde hingegen, dass das Entlastungsbudget (Gemeinsamer Jahresbetrag) trotz zwischenzeitlicher Streichung nun doch in das Gesetz aufgenommen wurde. Für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege durch pflegende Angehörige bedeutet dies ein flexibel einsetzbares Budget. Ulla Schmidt, Vorsitzende der Lebenshilfe, sagt: „Unser Protest war erfolgreich! Der gemeinsame Jahresbetrag kommt nun doch. Damit werden pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen, vor allem auch Familien mit Kindern mit Behinderung, spürbar entlastet.“

Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR), bemängelt hingegen: „Geht es bei diesem Gesetzentwurf tatsächlich noch um die Sicherung der Pflege in Deutschland? Das ist fraglich!“ Bei dem Gesetzentwurf habe man den Eindruck, dass sich die Pflege in Deutschland in einem Prozess des finanziellen Aushandelns, des Pokerns und Feilschens befinde. Dringend notwendige Verbesserungen unterblieben weitestgehend, so Vogler.

Verena Bentele vom Sozialverband VdK Deutschland beklagt: „Für alle pflegenden Angehörigen, die Tag für Tag ihre Gesundheit aufs Spiel setzen und viele Einbußen in Kauf nehmen, ist diese Pflegereform eine große Enttäuschung und reine Augenwischerei. … Diese Reform bleibt Stückwerk, bis nicht endlich der Bürokratiedschungel im Pflegebereich gelichtet wird und Unterstützungsleistungen den Bedürfnissen der Pflegenden und Gepflegten entsprechend zur Verfügung stehen.“ Es fehle an Tagespflegeplätzen. Ein Online-Portal, das bundesweit freie Plätze anzeigen sollte, sei wieder aus dem Gesetzentwurf verschwunden.

Sozialwissenschaftler Stefan Sell kritisiert, dass pflegende Angehörige „je nach Pflegegrad seit Jahren mit einer Summe zwischen 300 und 900 Euro pro Monat abgespeist werden."  Und das, obwohl 80 % der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause versorgt würden, so Sell. Die häusliche Pflege sei weitaus günstiger als stationäre Angebote. Schon jetzt sei mindestens ein Drittel der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner auf Sozialhilfe angewiesen.

Weitere Informationen zur Pflegereform bietet die Website des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), ebenso den Entwurf des Gesetzestextes.

(Quellen: Bundesministerium für Gesundheit, Deutscher Pflegerat, Lebenshilfe Bundesverband, Sozialverband VdK, Tagesschau.de)