16.08.2023

Diskussion: Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige und Pflegeversicherung

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion plädiert in einem Positionspapier für Lohnersatzleistungen zugunsten pflegender Angehöriger nach dem Vorbild des Elterngeldes. Bisher konnten sich Angehörige nur von der Arbeit freistellen lassen. Vier von fünf Pflegebedürftigen hierzulande werden zuhause versorgt.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) liegt der Entwurf des Positionspapiers vor. Darin heißt es, dass es für eine Pflegezeit von sechs Monaten bzw. die Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit gebe, eine finanzielle Unterstützung gebe es aber nur für zehn Tage.

Der gesundheits­politische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte gegenüber dem RND: „Wer sich mit Hingabe um Pflegebedürftige in der Familie kümmert, sollte dafür entlastet werden – gerade, wenn man dafür zeitweise aus dem Beruf aussteigen muss und das Einkommen über Monate fehlt“. Das sei eine Frage der Generationen­gerechtigkeit. Die Problematik werde sich in den kommenden Jahren massiv verschärfen, wenn die geburten­reichen Jahrgänge ins pflegebedürftige Alter kämen, betonte Sorge. Die Betreuung durch enge Angehörige entspreche dabei nicht nur dem Wunsch vieler Pflege­bedürftiger. „Sie ist oft auch günstiger und unbürokratischer als der Pflegedienst oder der Weg ins Heim“, so der CDU-Politiker.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt den Vorstoß der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Einführung einer Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige. In Anlehnung an das Elterngeld fordert der Verband einen Rechtsanspruch auf Freistellung vom Arbeitsplatz und eine staatliche Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, betont: „Pflegende dürfen nicht deutlich schlechter gestellt werden als junge Eltern. Neben verlässlichen Entlastungsangeboten brauchen pflegende Angehörige einen einklagbaren Rechtsanspruch, Zeit und materielle Absicherung.“

Neben einem Familienpflegegeld seien mehr und verlässlich finanzierte Entlastungsangebote sowie der Ausbau der Pflegeversicherung zu einer solidarischen Pflegevollversicherung notwendig, so der Paritätische. Auch wenn Angehörige in die Pflegeverantwortung gehen, brauche es professionelle Unterstützung und temporäre Entlastung. Wichtig sei daher, dass alle pflegebedingten Kosten in Zukunft auch wirklich durch die Pflegeversicherung übernommen würden. Anderenfalls drohten Überlastung und Unterversorgung, weil benötigte professionelle Leistungen aus finanziellen Gründen nicht in Anspruch genommen würden. 

“Sämtliche durch einen unabhängigen pflegerischen-medizinischen Dienst für bedarfsgerecht erachtete Pflegeleistungen müssen in vollem Umfang und ohne Eigenanteile vollständig von den Kassen finanziert werden", so die Forderung des Verbandes.

Der Paritätische fordert außerdem eine solidarische Pflegevollversicherung, in der sämtliche durch einen unabhängigen pflegerischen-medizinischen Dienst für bedarfsgerecht erachtete Pflegeleistungen in vollem Umfang und ohne Eigenanteile vollständig von den Kassen finanziert werden müssten.

Der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) begrüßt ebenfalls den CDU/CSU-Vorschlag einer Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige. Darüber hinaus fordert der Verband einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Pflegeheim, da pflegende Angehörige auf Dauer oft überfordert und am Ende ihrer Kräfte seien.

Von den rund fünf Millionen Pflegebedürftigen werden gemäß dem Statistischen Bundesamt rund vier Millionen von Angehörigen, Freunden und von ambulanten Pflegediensten versorgt. Da pflegende Angehörige – meist Frauen – ihre Arbeitstätigkeit deshalb beenden, unterbrechen oder verringern haben sie Einbußen bei Einkommen und Rentenansprüchen. Der Sozialverband VdK stellte in einer Studie fest, dass sich jede dritte Person in Deutschland, die Angehörige zuhause pflegt, extrem belastet fühlt.

Den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen stehen bislang unterschiedliche Leistungen der Pflegeversicherung zu – wie etwa Pflegegeld, Pflegesachleistungen oder Leistungen der Kurzzeit- und der Verhinderungspflege.

(Quellen: Redaktionsnetzwerk Deutschland, RND; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.; Arbeitgeberverband Pflege, AGVP; Statistisches Bundesamt)