24.01.2023

Befragung von Jugendlichen mit Behinderungen zeigt Diskriminierung und Ausgrenzung

Bundesweit nahmen 2.700 Jugendliche an der Befragung teil, die im Rahmen der Studie „Aufwachsen und Alltagserfahrungen von Jugendlichen mit Behinderung“ vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) durchgeführt wurde. Es zeigte sich, dass v. a. inklusiv beschulte Jugendliche häufiger Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren als jene in Förderschulen. Die Erkenntnisse aus der Studie sollen helfen, die Alltags-, Bildungs- und Freizeitsituation dieser jungen Menschen zu verbessern.

Die Studienteilnehmenden zwischen 13 und 18 Jahren haben sonderpädagogischen Förderbedarf in den Bereichen Sehen, Hören, Sprache, Lernen, körperliche und motorische Entwicklung sowie emotionale, soziale und geistige Entwicklung. Fragen gab es in den Feldern Freizeit, soziale Beziehungen, Autonomie, subjektive Sicht auf die Behinderung und Lebenszufriedenheit.

Die befragten Jugendlichen erlebten Ausgrenzung und Diskriminierung vor allem in inklusiven Regelschulen. Befragt nach konkreten Formen der Diskriminierung, nannten 32 Prozent der Studienteilnehmenden beleidigt oder beschimpft worden zu sein, 28,6 Prozent ausgelacht, 26,5 Prozent angestarrt und 21,6 Prozent geschubst, geschlagen oder körperlich angegriffen worden zu sein. Etwas weniger Jugendliche gaben an, dass sie nicht mitmachen durften, dass sie bedroht wurden, ihnen Sachen weggenommen oder kaputt gemacht wurden.

„Vor allem in den Regelschulen müssen Lehr- und Fachkräfte unterstützt werden, um Ausgrenzung frühzeitig zu erkennen und dem entgegenzuwirken. Auch braucht es tragfähige Schutzkonzepte, damit etwa Schülerinnen und Schüler, mit und ohne Behinderung, lernen, mit Vielfalt und Differenz umzugehen“, erklärt einer der Studienleiter, Johann Hartl. Grundlegend dafür sei eine allgemeine Haltung, die gesellschaftliche Vielfalt wertschätzt und die Gleichberechtigung behinderter Menschen anerkennt. Auch in der Forschung müsse Inklusion umgesetzt und diese Gruppe von Jugendlichen einbezogen werden.

Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass junge Menschen mit geistigen Behinderungen von der zunehmenden Digitalisierung in der Gesellschaft ausgeschlossen werden könnten. Obwohl mit 93 Prozent der Befragten die Rate der Smartphone-Besitzenden ähnlich hoch ist wie bei Jugendlichen ohne Behinderung, zeigten sich Hürden in der digitalen Teilhabe bei jungen Menschen mit geistiger Behinderung. Diese hatten seltener ein Mobiltelefon und nutzten das Internet weniger. Deshalb sei es wichtig, Barrierefreiheit bei der Entwicklung von Hard- und Software mitzudenken, fordern die Studienmacher.

Bei der Freizeitgestaltung ergab die Befragung weniger vielfältige Freizeitaktivitäten bei Jugendlichen mit Beeinträchtigungen im emotionalen und sozialen Bereich. Die Befragung zur Autonomie zeigte, dass Jugendliche mit Förderbedarfen im Bereich körperlich-motorischer und geistiger Entwicklung, mit Mehrfachbeeinträchtigungen sowie Jugendliche, die mobilitäts- oder sehbezogene Hilfsmittel benötigen, nur eingeschränkte finanzielle, mobilitätsbezogene oder freizeitbezogene Autonomie haben.

Bei der subjektiven Sicht auf die eigene Behinderung nehmen 40 Prozent der Jugendlichen Hürden für ihre künftige Lebensführung und -planung wahr. Unter Jugendlichen mit körperlichen-motorischen Beeinträchtigungen, bei geistigen oder mehrfachen Beeinträchtigungen ist der Anteil noch höher.

Insgesamt spiegeln die Studienergebnisse die Vielfalt der Lebenswelten der Jugendlichen wider, zeigen aber auch wiederkehrende Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung auf. Folgende Verbesserungen sind deshalb anzustreben:

  • Digitalisierung inklusiv denken
  • Wahlmöglichkeiten für vielfältige Freizeitsettings schaffen
  • Handlungs- und Autonomiespielräume fördern
  • Schule als sozialen Ort ernst nehmen
  • Einsamkeit in institutionellen Wohnsettings vermeiden
  • Inklusion diversitätsorientiert denken
  • Jugendforschung inklusiv ausrichten

Das DJI führte die Studie im Auftrag der Baden-Württemberg Stiftung durch. „Die Ergebnisse der Jugendstudie: Aufwachsen und Alltagserfahrungen von Jugendlichen mit Behinderung“ gibt es als barrierefreies Download auf der DJI-Website.

(Quelle: Deutsches Jugendinstitut, DJI; www.jugendhilfeportal.de)