15.11.2022

ABiD fordert schnellere Einführung des EU-Schwerbehindertenausweises

Der Vorstand des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland e. V. (ABiD) setzt sich dafür ein, dass der EU-weite Schwerbehindertenausweis schneller eingeführt wird als bisher geplant. Eine Gesetzesvorlage für Ende 2023 komme zu spät; die EU-Kommission müsse ambitionierter vorgehen.

Der ABiD beklagt, dass nach einer Gesetzesvorlage mit einer langwierigen Umsetzung in den Mitgliedsländern zu rechnen sei. „Menschen mit Handicap warten aber schon jetzt viel zu lange auf einheitliche Rechte in der Europäischen Union, sie hinkt den Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention massiv hinterher“. Deshalb fordert der ABiD die deutsche Politik auf, sich in Brüssel für ein beschleunigtes Verfahren einzusetzen und auch EU-Beitrittskandidaten mit ins Boot zu holen. Am Beispiel der Ukraine zeige sich, wie schwierig die Harmonisierung der unterschiedlichen Verständnisse von (Schwer-)Behinderung sei, so der ABiD-Vorstand.

Der deutsche Schwerbehindertenausweis ist ein bundesweit einheitlicher Nachweis über den Status als schwerbehinderter Mensch; er gibt Auskunft über die Schwere und Art der Behinderung durch den Grad der Behinderung (GdB) und so genannte Merkzeichen, z. B. „Bl“ für Blindheit. Mit diesem Ausweis kann eine Person sich gegenüber Arbeitgebern, Sozialleistungsträgern oder Behörden als schwerbehindert ausweisen. Dies ist zum Beispiel notwendig, um die per Gesetz festgelegten Nachteilausgleiche und Rechte in Anspruch nehmen zu können.

Der deutsche Schwerbehindertenausweis führt im Ausland allerdings nicht zum Erhalt bestimmter Leistungen; es liegt allein im Ermessen der Handelnden, ob z. B. ein Mensch mit Schwerbehinderung einen ermäßigten Eintrittspreis bekommt. Der ABiD-Pressesprecher, Dennis Riehle, ergänzt hierzu: „Wenn wir behinderten Menschen auf unserem Kontinent auch Jahrzehnte nach dem Inkrafttreten der ersten Verträge weiterhin keine einheitlichen Rechte zusichern können, mag dies angesichts der Komplexität des Themas zwar verständlich sein, darf aber nicht dazu führen, sich auf dem Status Quo auszuruhen und das Gesetzgebungsverfahren zu verzögern. Behindertenrechte müssen Vorrang erhalten“.

Nach Ansicht des ABiD sollte der künftige EU-Schwerbehindertenausweis auf den qualitativ hohen Maßstäben des deutschen Ausweises basieren. Die EU-Mitgliedsländer müssten sich auf eine gemeinsame Definition verständigen, wann ein Mensch im europarechtlichen Sinne als ‚behindert‘ gilt. Auch werde zu prüfen sein, ob das abgestufte Verfahren im Sinne eines Grades der Behinderung in der gesamten EU als verbindlich angesehen werden könne und entsprechend auch das Antragwesen, die amtsärztliche Prüfung und der Entscheid auf der Basis der versorgungsmedizinischen Grundsätze der Bundesrepublik für Europa vereinheitlicht werden könnten.

Solche Standards wären die Bedingung, dass am Ende auch in allen Staaten vergleichbare Voraussetzungen geschaffen würden, die in der Konsequenz das Anrecht auf verbindliche und über die ganze EU hinweg gültige Leistungen desselben Umfangs festschreiben. Es werde insofern auch wichtig sein, dass in allen Mitgliedsstaaten amtsärztliche Strukturen geschaffen werden. Es müsse garantiert sein, dass ein behinderter Mensch in Rom, Paris, Berlin, Warschau oder Wien letztlich mit einem Antrag zum selben Ergebnis komme, so der ABiD-Vorstand.

(Quelle: Allgemeiner Behindertenverband in Deutschland e. V., ABiD)