04.10.2011

Unterstützte Kommunikation und die Behindertenrechtskonvention - Perspektiven für Strukturen und Einrichtungen der Behindertenhilfe

Das 4. Symposium der BAG BKOM und der DVfR fand am 30. September 2011 in der Katholischen Hochschule Freiburg in Kooperation mit den Zieglerschen und der KH-Freiburg statt.

Das 4. Symposium zur Unterstützten Kommunikation (UK) setzte den Austausch mit Fachleuten für die Heil- und Hilfsmittelversorgung von nichtsprechenden Menschen aus den Vorjahren fort. In diesem Jahr standen die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und ihre Auswirkungen auf die Unterstützte Kommunikation im Fokus des Symposiums.

Die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) fordert die Entwicklung von inklusiven, nicht-aussondernden Einrichtungen und Strukturen und macht weitreichende Veränderungen notwendig. Rund 70 Therapeuten, Pädagogen, Mediziner, Wissenschaftler, Vertreter der Leistungsträger und der Selbsthilfe nahmen teil an dem Diskurs über die bedarfsgerechte Ausgestaltung der UK.

In seinen Grußworten bezeichnete Prof. Dr. Edgar Kösler, Rektor der Katholischen Hochschule Freiburg die BRK als Verpflichtung und Vision zugleich und forderte mutige Schritte für deren Umsetzung. Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR), dankte der Katholischen Hochschule für die Kooperation und für die vielen fachwissenschaftlichen Beiträge zur Weiterentwicklung der UK. Das 4. Symposium zur Unterstützten Kommunikation führte Leistungserbringer, Leistungsträger, Fachverbände, Betroffenenorganisationen sowie Einzelpersonen zusammen, um gemeinsam über Fragen der Ausgestaltung einer bedarfsgerechten UK zu diskutieren.

Die Umsetzung der BRK ist ein langer und schwieriger Weg und die fachlich-politische Diskussion daher notwendig. Die DVfR beteiligt sich an der politischen Diskussion im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und aus diesem Grund sei ein Austausch im Rahmen einer solchen Veranstaltung besonders wichtig, so Schmidt-Ohlemann.

Prof. Dr. Jürgen Winkler, Katholische Hochschule Freiburg, ging in seinem einführenden Vortrag auf die BRK aus juristischer Perspektive ein: Aus seiner Sicht ist die BRK ein Lehrbeispiel  guter politischer Arbeit für das Klientel der sozialen Arbeit. Die praktische Umsetzung der Behindertenrechtskonvention erfordere aber weiteres Handeln und Fordern im politischen und gesellschaftlichen Raum. Zur Frage, ob sich aus der BRK Rechtsansprüche ableiten lassen meint Winkler, dass sei auf Bundesebene nur bei ausreichender Bestimmtheit des maßgeblichen Artikels begründbar und fände Berücksichtigung bei der Gesetzesauslegung und bei der Ermessensausübung. Ansonsten bestünde nur die Verpflichtung des Staates zur Umsetzung der BRK. Auf Landesebene erfordern Rechtsansprüche die Umsetzung der BRK durch Landesgesetz.

Anhand verschiedener Urteile machte Prof. Winkler die bisherige Entscheidungspraxis im Zusammenhang mit der BRK deutlich und ging anschließend auf die Vorschriften der BRK mit direktem Bezug zur Kommunikation ein. Im seinem Abschlussapell betont Prof. Winkler die Ängste vieler Berater und Betroffener auch gerichtliche Verfahren anzustrengen, um Rechte durchzusetzen. Grund hierfür seien die Abhängigkeitsstrukturen zwischen Klienten, Leistungserbringern und Kostenträgern.

Der anschließende Vortrag von Prof. Dr. Gregor Renner, Katholische Hochschule Freiburg, widmete sich der Unterstützten Kommunikation (UK) im Lichte der BRK. Er bezeichnet die BRK als „Meilenstein im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Mitgliedern mit Behinderung“ und erläutert den Umsetzungsprozess in Deutschland. Bezogen auf die Zielgruppen der UK sei es BRK-konform „in Regeleinrichtungen und in der Gesellschaft insgesamt UK als Bildungsziel und als Kommunikationsform umfassend auf hohem Niveau zur Verfügung zu stellen“. Als wesentlich stellt Renner heraus, dass für die Ermöglichung der individuellen Teilhabe zu allererst der Bedarf der einzelnen Person festgestellt werden und für die Bestimmung des individuellen Teilhabeziels leitend sein muss.

Am konkreten Beispiel einer unterstützt kommunizierenden Praktikantin im Bereich der Hochschule verdeutlicht Prof. Renner die Chancen und die notwendigen Überlegungen für dieses Beschäftigungsverhältnis. UK ermöglicht für Menschen mit entsprechendem Bedarf ein hohes Maß an Inklusion. In Einrichtungen der Behindertenhilfe ist UK ein wichtiges Leistungsangebot, während die Regeleinrichtungen den Unterstützungsbedarf durch UK oft noch nicht ausreichend  im Blick haben.

Frau Heidi Hauer, Vertreterin der BAG Selbsthilfe ging im dritten Vortrag des Vormittags auf die Sicht der Betroffenen auf die BRK ein. Vier ihrer wichtigsten Thesen waren:

  • Die Selbsthilfe in Deutschland ist sehr heterogen organisiert, dadurch ist es besonders wichtig, dass innerhalb der Selbsthilfe Positionen diskutiert und auch konsentiert werden.
  • Viele Betroffene empfinden das Leben als einen ständigen Kampf um Hilfsmittel, Wohnung, Partnerschaft und Teilhabe. Da fehlt oft die Kapazität dafür, sich auch noch politisch einzusetzen.
  • Sprachbehinderungen sind verbunden mit besonderen Integrations- und Inklusionsproblemen.
  • Bewusstseinsbildung ist ein großes Anliegen der Selbsthilfe. Die BRK alleine gibt hier nicht genügend Grundlage für wesentliche Veränderungen.

Am Nachmittag teilten sich die Teilnehmer des Symposiums in drei Workshops auf:

  1. BRK im Kontext von Regionalisierung/Dezentralisierung: Vorstellung und Diskussion von zwei Projekten
  2. Unterstützte Kommunikation in der Frühförderung
  3. Unterstützte Kommunikation als inklusive und kooperative Aufgabe in Schule und Unterricht

Die Beiträge zur Veranstaltung finden Sie hier zum Download:

Workshop 1

Workshop 2

Workshop 3

Programm