16.11.2015

Teilhabeförderung durch Unterstützte Kommunikation – 7. Symposium der DVfR und der BAG BKOM

Mehr als 70 Interessierte waren am 6. November der Einladung der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) nach Frankfurt am Main gefolgt, um am 7. Symposium für Unterstützte Kommunikation (UK) teilzunehmen. Die DVfR veranstaltete die Tagung zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Beratungsstellen für Kommunikationshilfen (BAG BKOM) unter Beteiligung des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe (BeB).

Intensiv wurden die verschiedenen Möglichkeiten der Beratung, Bedarfsfeststellung und Finanzierung von UK-Leistungen und die Notwendigkeit der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit erörtert. Schwerpunkte des Symposiums bildeten die teilhabeorientierte Heilmittelversorgung sowie das geplante Bundesteilhabegesetz (BTHG), das das Teilhaberecht weiterentwickelt und der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung trägt.

„Unterstützte Kommunikation ist der Oberbegriff für alle pädagogischen oder therapeutischen Maßnahmen zur Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten von Menschen, die nicht oder kaum über Lautsprache verfügen“, erläuterte Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Leiter des Rehazentrums Bethesda in Bad Kreuznach und Vorsitzender der DVfR.

Interdisziplinäre Teams zur Förderung von Teilhabe

Als logopädische oder ergotherapeutische Leistung könne Unterstützte Kommunikation grundsätzlich im Rahmen der Heilmittelversorgung erbracht werden, sagte Dr. Schmidt-Ohlemann in seinem Vortrag zum Thema teilhabeorientierte Heilmittelerbringung. Ein Therapeut solle idealerweise nicht isoliert therapieren, sondern mit anderen Experten, die betroffene Menschen versorgen und betreuen, kooperieren. „Heilmittel wirken nachhaltiger teilhabefördernd, wenn sie im interdisziplinären Team und unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren erbracht werden“, betonte Dr. Schmidt-Ohlemann. Diese kooperative Arbeitsweise muss im Alltag, beispielsweise in der Schule oder KiTa, im Sinne einer Bündelung von Teilhabeleistungen gezielt organisiert werden, so ein Vorschlag des DVfR-Ausschusses Heilmittelversorgung. Voraussetzung für die Beteiligung der Krankenkassen bei der Refinanzierung dieser Arbeit in diesen interdisziplinären Teams ist, dass die Einrichtungen über eine Zulassung zur Heilmittelerbringung verfügen. Settings, die interdisziplinäre Arbeit ermöglichen, wie Schulen, KiTas, Wohneinrichtungen, Werkstätten etc. sollten solche Teams fördern und institutionell verankern.

Logopädie im Wandel: Unterstützte Kommunikation als teilhabeorientiertes Heilmittel

Kerstin Nonn vom Deutschen Bundesverband für Logopädie hielt einen Impulsvortrag über Logopädie als teilhabeorientiertes und interdisziplinäres Heilmittel für die Versorgung in UK. Die Logopädie befinde sich damit in einem Übergang von einer rein kurativen Versorgung hin zu Therapieansätzen, welche die Aktivität und soziale Partizipation von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt stellen. Weiterhin wurde auf die Problematik hingewiesen, dass Unterstützte Kommunikation in der Logopädie-Ausbildung nur wenig verbreitet sei. Dies sei fatal, denn Inklusion vollziehe sich vor allem durch gelingende Kommunikation. „Im Gegensatz zu anderen Ländern ist die UK in der Ausbildung in Deutschland nicht verankert“, erklärte Prof. Dr. Gregor Renner, Vorsitzender der BKOM, der die Veranstaltung moderierte. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums herrschte Konsens darüber, dass Unterstützte Kommunikation bei der Ausbildung selbstverständlich dazugehören sollte.

Aufsuchende Beratung sichert alltagsnahe Unterstützung

Sabrina Beer stellte das Konzept der LogBUK GmbH vor, einer logopädischen Praxis gekoppelt mit einer UK-Beratungsstelle. Von drei Standorten in Bayern sowie in Bremen aus beraten, begleiten, coachen und therapieren die LogBUK-Mitarbeiter Menschen mit eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten, beziehen auch das Umfeld mit ein und versuchen so, Aktivität und Teilhabe zu verbessern. Das LogBUK-Konzept sieht aufsuchende Beratung vor. So führen die Beratungsteams Hausbesuche durch oder beraten Betroffene in Schulen, Kitas, Frühfördereinrichtungen und Kliniken.

Werner Gruhl, Reha-Leistungsmanager im Heinrichhaus Neuwied, einer Einrichtung der Eingliederungshilfe, sondierte in seinem Vortrag die Möglichkeiten der UK-Leistungserbringung im Rahmen der Eingliederungshilfe. Bisher einzigartig ist das rheinland-pfälzische Netzwerk für UK, welches auf einer Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz, den Kommunen und den Beratungsstellen für UK basiert und spezialisierte UK-Beratung im Rahmen der Eingliederungshilfe auf der Grundlage des Teilhabeplanverfahrens zugänglich macht. UK ist auch in Medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit geistigen oder schweren Mehrfachbehinderungen ein wichtiger Leistungsbestandtteil, so Prof. Dr. Peter Martin, Chefarzt der Séguin-Klinik in Kehl-Kork.

Martina Drexler und Gerhard Hornicek vom bayerischen Beratungssystem ELECOK, das mit 10 Beratungsstellen Unterstützte Kommunikation an bayerischen Schulen für Körperbehinderte anbietet, wiesen darauf hin, dass UK als sonderpädagogische Aufgabe im Schulsystem verankert ist, die aber aufgrund der Komplexität nur von entsprechend qualifiziertem Personal zu leisten sei. Die derzeit vorhandenen Ressourcen im Schulbereich könnten die Bedarfe von UK (bei ca. 30% der Förderschulkinder) nicht decken. UK-Kompetenz sei bereits in der Frühförderung erforderlich, denn Kommunikation sei Grundvoraussetzung für das Lernen. Diskutiert wurde im Anschluss die Notwendigkeit, die Kooperation mit UK-Leistungserbringern aus anderen Leistungsbereichen zu entwickeln, z.B. mit niedergelassenen Logopäden im Gesundheitswesen.

BTHG regelt Zusammenspiel von Leistungen

Rechtsanwältin Ruth Coester vom BeB ging auf das geplante Bundesteilhabegesetz ein. Das neue Gesetz sieht vor, dass der persönliche Bedarf an Teilhabeleistungen in einem trägerübergreifenden Verfahren individuell ermittelt und damit eine rein an Institutionen orientierte Leistungserbringung überwunden wird. Coester führte aus, dass im SGB IX bislang zwar die Zusammenarbeit mit den Trägern geregelt sei, bei Nichteinhaltung jedoch keine Sanktionen erfolgen. Im neuen Bundesteilhabegesetz soll nun die Bedarfsfeststellung und das Zusammenspiel von Leistungen verbindlich geregelt werden. Pit Staiger-Sälzer, Leiter der Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation und Assistive Technologien (BUK-AT) in Bad Kreuznach, erläuterte die UK als Bestandteil von Teilhabeplänen anhand von Beispielen.

Janina Bessenich vom Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie ging auf die Ziele des BTHG ein, das u.a. Selbstbestimmung und individuelle Lebensplanung von Menschen mit Behinderungen sowie ein modernes Teilhaberecht vorsieht. Geplant sei unter anderem, eine unabhängige Beratung bundesweit sicherzustellen. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass Beratung bereits Bestandteil des UK-Konzepts sei und deshalb differenziert werden müsse, wann Beratung über Leistungsangebote informiere und wann sie Bestandteil der fachlichen Leistung sei.

In seinem Schlusswort dankte Dr. Schmidt-Ohlemann allen Referenten für die interessanten Einblicke in ihre Arbeit und den Teilnehmern des Symposiums für ihre aktive Beteiligung an der Diskussion.