30.01.2010

RehaFutur – Entwicklungen gemeinsam gestalten! Workshop am 21. und 22. Januar 2010 in Potsdam

Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation und die Deutsche Akademie für Rehabilitation luden am 21. und 22. Januar 2010 zum Workshop "RehaFutur - Entwicklungen gemeinsam gestalten!" im BBW Potsdam ein.

Auf der Grundlage der Arbeitsergebnisse der wissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur zur Weiterentwicklung des Systems der beruflichen Rehabilitation erwachsener behinderter Menschen, die mit dem Abschlussbericht RehaFutur im Sommer 2009 vorgelegt wurden, sollte mit dieser Veranstaltung eine breite Einbindung aller relevanten Akteursgruppen in die Weiterentwicklung der beruflichen Rehabilitation in Deutschland unterstützt (und eingefordert) werden.

Breite Unterstützung für Innovationsprozess der beruflichen Rehabilitation erreicht

Das klare Bekenntnis aller Akteure, sich an dem RehaFutur-Prozess zur mittel- und langfristigen Weiterentwicklung der beruflichen Rehabilitation erwachsener behinderter Menschen in Deutschland zu beteiligen, ist ein wichtiges Ergebnis des RehaFutur-Workshops vom 21. und 22. Januar 2010 im BBW Potsdam. Rund 170 Teilnehmer aus Politik, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, von Rehabilitationsträgern, Leistungserbringern und Sozialverbänden, aus der Wissenschaft sowie Menschen mit Rehabilitationserfahrung waren der Einladung der beiden Veranstalter Deutsche Akademie für Rehabilitation und Deutsche Vereinigung für Rehabilitation gefolgt, um über die seit Sommer 2009 vorliegenden Vorschläge zu zukünftigen Handlungsfeldern bei der Weiterentwicklung der beruflichen Rehabilitation der wissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur zu diskutieren.

Zum Auftakt hob Hans-Joachim Fuchtel MdB, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), hervor, dass für das politische Konzept der Teilhabesicherung ein zukunftsfähiges System der beruflichen Rehabilitation unverzichtbar ist. Die Bundesregierung bekenne sich zu den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention, die auf eine inklusive Gesellschaft ausgerichtet sind. Er wies darauf hin, dass Innovationen nicht durch einzelne Akteure und auch nicht durch politische Vorgaben vorangebracht werden können. „Der anstehende Entwicklungsprozess ist eine Netzwerkaufgabe, bei der gemeinsam effektive Lösungen gesucht werden müssen.“ Dabei könne man durchaus auf Erreichtes aufbauen. Fuchtel sagte die weitere politische Unterstützung für das 2007 durch das BMAS initiierte Projekt RehaFutur zu. Im nächsten Jahr wolle man sich wieder treffen, um bis dahin vorliegende Ergebnisse vorzustellen.

Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass sich für die Gestaltung des Leistungsgeschehens zur beruflichen Teilhabe wichtige Impulse aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergeben. Neue Formen der Leistungserbringung und Zusammenarbeit bis hin zu einem veränderten Rollenverständnis der Betroffenen und Experten seien erforderlich. Er mahnte eine höhere Wertschätzung des sozialstaatlichen Beitrags der Rehabilitation durch die Gesellschaft an. Man müsse sich offensiver auch gegen falsche Kosten-Nutzen-Abwägungen wappnen.

Der Vortrag von Dr. Hilmar Schneider, Institut zur Zukunft der Arbeit, Bonn, stand unter der Überschrift Zukunft von Bildung und Arbeit. Der technische Fortschritt ermöglicht heute eine kundenzentrierte Produktion und damit eine Abkehr von standardisierter Massenproduktion. Dies führt in den Betrieben zu einer „organisatorischen Revolution“. Die Anforderungen an die Arbeitnehmer ändern sich grundlegend. Die Fähigkeit zur Übernahme unternehmerischer Verantwortung, Arbeiten in Projektkontexten statt an einem festen Arbeitsplatz und die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen werden immer wichtiger. Ein Fazit von Dr. Schneider war, die Offenheit gegenüber den neuen Herausforderungen sei für den Erhalt der Erwerbsfähigkeit mindestens so wichtig wie Fachwissen.

Dr. Peter Schopf, Confido-Initiative, Bad Griesbach, stellte in seinem Vortrag dar, dass die Themen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung in den umfassenden Prozess der Enttraditionalisierung und Individualisierung der Gesellschaft eingebettet sind. Der „kulturelle Konsens“ ist verlorengegangen und löst sich auf. Es besteht eine Vielzahl von nicht miteinander zu vereinbarenden Wahrheits- und Gerechtigkeitsbegriffen. Die staatliche Fürsorge für den Einzelnen nimmt tendenziell ab, die Selbstverpflichtung nimmt zu. Der postmoderne Mensch muss sich in einer unübersichtlichen und heterogenen Welt zurechtfinden. Selbstbestimmung erfordert Selbstbesinnung, damit der einzelne Mensch eine Balance zwischen sich und den gesellschaftlichen Anforderungen herstellen kann.

Beide Vorträge verdeutlichten, dass berufliche Rehabilitation nur zukunftsfähig ist, wenn sie mit ihren Teilhabeleistungen die gesellschaftliche Dynamik antizipiert und das Risiko in Kauf nimmt neue Wege zu gehen, um den Herausforderungen zu begegnen. Vor dem Hintergrund der komplexen gesellschaftlichen Veränderungen scheint eine Fortschreibung der Vergangenheit nach dem Motto „wir sind doch so gut aufgestellt“ kein sinnvoller Weg zu sein.

Anschließend erläuterten die Präsidenten der großen Sozialverbände in Deutschland, Ulrike Mascher (Sozialverband VdK Deutschland) und Adolf Bauer (Sozialverband SoVD) sowie Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Peter Clever von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) ihre Sicht zu dem angestoßenen Entwicklungsprozess RehaFutur. Trotz unterschiedlicher Akzentsetzung betonten sie, dass die RehaFutur-Vorschläge in die richtige Richtung wiesen, und dass jetzt echte Umsetzungsaktivitäten erforderlich seien.

Die Positionen der Spitzenvertreter der Rehabilitationsträger Raimund Becker, Bundesagentur für Arbeit, Dr. Andreas Kranig, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), und Dr. Axel Reimann, Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), zum RehaFutur-Prozess waren zwar nicht deckungsgleich, jedoch bekräftigten sie die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung. Wichtig ist den Rehabilitationsträgern die Einbindung aller Akteure der beruflichen Rehabilitation in diesen Entwicklungsprozess.

In einer munteren Diskussionsrunde, die von Herrn Prof. Wolfgang Seyd moderiert wurde, schilderten neun motivierte junge Menschen, die eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme zurzeit absolvieren oder kürzlich abgeschlossen haben, eindrucksvoll ihre persönlichen Erfahrungen mit beruflicher Rehabilitation. Von Motivation, neuer Chance, professioneller Unterstützung, aber sehr häufig auch vom Dschungel der Zuständigkeiten, mangelnder Beratung, unzureichenden Informationen und nicht selten zu langen Wartezeiten war die Rede. Mit ihren Erfahrungen wollen sie beim Erneuerungsprozess gern dazu beitragen, Fehler und Schwachstellen zu beseitigen. Dies entspricht ganz dem Leitbild von RehaFutur: „Bei allen Aktivitäten der beruflichen Rehabilitation stehen die individuellen Bedarfe der Leistungsberechtigten im Vordergrund! Selbstbestimmung und Selbstverantwortung werden gefördert!“ Von den Rehabilitanden wurde der im Jahr 2008 in Rheinsberg vorgetragene Vorschlag „Reha-Pilot“ wiederholt: Menschen mit Rehabilitationserfahrung beraten Gleichbetroffene am Anfang ihres Reha-Weges und leisten damit eine wichtige Ergänzung der professionelle Beratung.

Gitta Lampersbach, Leiterin der Abteilung 5 im BMAS, begrüßte, dass beim Workshop Probleme offen angesprochen wurden. Denn genau darauf sollten sich die Lösungen konzentrieren, die im Verlaufe des RehaFutur-Prozesses gemeinsam erarbeitet werden müssen.

Am Abend brachte Frau Lampersbach die Wertschätzung des BMAS für die Arbeit der wissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur in einer kurzen Ansprache zum Ausdruck. Die 2007 vom BMAS eingesetzte Fachgruppe aus neun Wissenschaftlern unter der Leitung von Prof. Peter Riedel wagte sich nach gründlicher Analyse der heutigen und künftigen Rahmenbedingungen und Herausforderungen – manchmal misstrauisch von Außenstehenden beäugt – auf Neuland vor. Sie beschrieben acht Handlungsfelder für notwendige Entwicklungen in der beruflichen Rehabilitation, die inzwischen breiten Zuspruch finden. Beim heute begonnenen Umsetzungsprozess stimmt es optimistisch, dass alle Akteure mitmachen.

Spannend wurde es am zweiten Tag, denn jetzt waren eigene Ideen der Teilnehmer gefragt. In wechselnder Zusammensetzung agierten unter Anleitung des Moderators Peter Helbig kleine Arbeitsgruppen. In teils lebhafter Diskussion analysierten sie bestehende Schwachstellen, trugen Ideen und Lösungsansätze zusammen und formulierten auch, wie sie selbst zu Veränderungen beitragen wollen. Sie sprachen Empfehlungen aus, mit welchen Themen der Entwicklungsprozess der beruflichen Rehabilitation weitergeführt werden soll.

Am Ende des Workshops ließen sich diese Vorschläge zu vier Kernthemen zusammenführen: Beruf und Arbeitswelt, Steuerung des Eingliederungsprozesses, Selbstbestimmung einschließlich Beratung sowie Forschung und Entwicklung. Spontan fanden sich Teilnehmer bereit, an dem einen oder anderen Thema mitzuarbeiten.
Verabredet wurde auch, dass unter Koordination des BMAS zu den genannten vier Kernthemen Arbeitsgruppen gebildet werden, in denen alle Akteure der beruflichen Rehabilitation vertreten sind, um auf der Grundlage der RehaFutur-Handlungsfelder Optimierungsmöglichkeiten gemeinsam zu entwickeln. Spätestens im Frühjahr 2011 sollen bei einer nächsten RehaFutur-Veranstaltung die bis dahin erarbeiteten Vorschläge vorgestellt werden.

Mit diesen Verabredungen war ein weiteres Ziel der Veranstaltung erreicht, Veränderungsprozesse zur Weiterentwicklung des Systems der beruflichen Rehabilitation in Deutschland anzustoßen und sich gemeinsam auf konkrete Umsetzungsvorhaben zu verständigen. Die Deutsche Akademie für Rehabilitation und die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation werden die Koordination des weiteren RehaFutur-Prozesses im Auftrag des BMAS unterstützen.

Downloads:

Programm: RehaFutur - Entwicklungen gemeinsam gestalten!

Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgruppe zur Zukunft der beruflichen Rehabilitation in Deutschland

Stellungnahme der wissenschaftlichen Fachgruppe, Kurzfassung

Kommentar zur Stellungnahme der Fachgruppe "RehaFutur"

Dokumentation zum Workshop Rheinsberg 2008

Dokumentation zum Workshop RehaFutur 2010

Link:

Initiative RehaFutur

Bildergalerie