15.11.2009

Der Beitrag der Mobilen Rehabilitation zur Bewältigung der Zukunft - Symposium am 6. und 7. November 2009 in Berlin

Mit dem Symposium am 6. und 7. November 2009 im Evangelischen Johannesstift Berlin wurde die Diskussion über Ziele und Strategien der Weiterentwicklung der mobilen Rehabilitation fortgesetzt. An diesem von der BAG Mobile Rehabilitation, der DVfR und weiteren Partnern gemeinsam veranstalteten Symposium nahmen Akteure der Mobilen Rehabilitation, Rehabilitationsexperten von Einrichtungsträgern, Sozialleistungsträgern, Sozial- und Fachverbänden sowie Vertreter der beiden Bundesministerien BMAS und BMG teil.

Zu Beginn stellte Dr. Warnach, Ev. Johannesstift Berlin, fest, dass die Etablierung des Leistungsangebots Mobile Rehabilitation (MoRe) weit hinter den Erwartungen und den Möglichkeiten zurück bleibt. Seit 2007 ist es gesetzliches Ziel, bundesweit qualitativ hochwertige MoRe-Angebote zu schaffen. Hier beim Workshop sollten die Gründe für den Stillstand bei der Entwicklung der MoRe analysiert und das weitere Vorgehen zur Erreichung des Ziels erörtert werden. Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte und der Beitrag von MoRe zur Bewältigung zukünftiger gesellschaftlicher Herausforderungen sollten in der Diskussion eine zentrale Rolle spielen.

Dr. Winkler, BAG MoRe, berichtete, dass bisher nur sehr wenige MoRe-Angebote, ausschließlich für Geriatriepatienten, auf der Grundlage der mit GKV vereinbarten Rahmenempfehlung zur geriatrischen mobilen Rehabilitation entstanden sind. Dr. Schmidt-Ohlemann, BAG MoRe und DVfR, erläuterte die Ursachen für die Skepsis gegenüber MoRe sowie Wirtschaftlichkeitsaspekte der MoRe. Die Zurückhaltung bei der Finanzierung von MoRe seitens der Krankenkassen sei derzeit der begrenzende Faktor für den Aufbau von Angeboten. Herr Reiners, MASGF Brandenburg, bemängelte in seinem Vortrag die fehlende Diskussion darüber, wie MoRe zur Erfüllung gesellschaftlichen Aufgaben beitragen kann und welche Veränderungsprozesse in vielen Bereichen der medizinisch-rehabilitativen Versorgung notwendig sind. Eine einfache Kosten-Nutzen-Analyse sei für die Praxis nicht relevant.

Frau Dr. Polak berichtete, dass der AOK-Bundesverband großes Interesse an sektorenübergreifenden Versorgungskonzepten wie integrierte Versorgung und Diseasemanagementprogramme habe, und dass die bedarfsgerechte Versorgung älterer Menschen eine wichtige Aufgabe sei. Inzwischen wurden positive Erfahrungen mit MoRe gesammelt; aus Sicht der AOK ist MoRe jedoch keine Wahlleistung.

Dr. Gronemeyer, MDS, unterstrich die Notwendigkeit des fachlichen Dialogs zu allen Fragen der MoRe, insbesondere zu Indikation und zum qualitativen Anforderungsprofil an die Dienste. Die Umsetzung der geriatrischen MoRe könne sehr gut auf der Grundlage der Rahmenempfehlung erfolgen. Dafür sei Sachkenntnis der Zuweiser und der Gutachter notwendig, die in einem Lernprozess anzueignen ist. Dies wird vonseiten des MDS durch Schulung und Umsetzungshinweise an die MDK unterstützt.

In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass von dieser zugehenden Rehabilitationsleistung Menschen profitieren, die erhebliche Teilhabestörungen und einen komplexen Hilfebedarf haben, und für die stationäre oder ambulante Rehabilitation überwiegend nicht infrage kommt. Daher sei die Diskussion um die Zielgruppenallokation und das daraus resultierende Konkurrenzdenken falsch. Die Begrenzung von MoRe auf geriatrische Patienten sei aus Sicht vieler Teilnehmer, vor allem der MoRe-Akteure und der Patientenvertreter, nicht akzeptabel. Auch pflegebedürftige Menschen, schwerstbehinderte Menschen sowie Menschen mit neurologischen bzw. psychiatrischen Beeinträchtigungen oder Suchterkrankungen haben entsprechenden komplexen Hilfebedarf und seien für MoRe-Angebote eine typische Zielgruppe.

Frau Niedling vom GKV-Spitzenverband hob den Forschungsbedarf zum Themenfeld MoRe hervor, auch um Wirtschaftlichkeit nachzuweisen, die bei GKV-Leistungen stets zugrunde zu legen ist.

Workshops fanden statt zu den Themen „Mobile Rehabilitation in der Neurologie“, „2,5 Jahre Rahmenempfehlung Mobile geriatrische Rehabilitation“ sowie „Wirtschaftlichkeit von Mobiler Rehabilitation“. Im Rahmen der Problemdiskussion berichteten dort die Mitglieder von mobilen Rehabilitationsteams über beeindruckende Ergebnisse, die durch Rehabilitationsleistungen in der häuslichen Umgebung des Betroffenen unter Mitwirkung des sozialen Umfelds erreicht werden können. Frau Dr. Grotkamp erläuterte aus Sicht des MDK den Bedarf an MoRe-Leistungen von Menschen mit neurologischen Behinderungen.

Frau Lampersbach vom BMAS und Herr Becker vom BMG unterstrichen in ihren Plenarbeiträgen den gesetzlichen Auftrag zur Umsetzung von MoRe und den engen Zusammenhang zu künftigen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Umsetzung sei ein Prozess, an dem sich alle Akteure, auch die Patientenverbände, beteiligen müssen. Der Aspekt der Teilhabesicherung durch MoRe im Zusammenhang mit der Umsetzung des SGB IX und der UN-Behindertenrechtskonvention sei bisher in der Diskussion zu kurz gekommen; vordergründig wurden oft medizinische Fragen diskutiert. In wenigen Jahren werde aufgrund der demographischen Entwicklung der Bedarf an solchen Leistungsangeboten weiter gewachsen sein, und darauf sollte man vorbereitet sein. Notwendig seien jetzt Erkenntnisse zu den Umsetzungsschwierigkeiten, um sie gemeinsam überwinden zu können, und mehr Forschung. Das BMAS wird im nächsten Jahr Fördermittel für ein Forschungsprojekt zum Thema MoRe bereitstellen.

Frau Lorenz erläuterte aus Sicht des Sozialverbands SoVD, dass zugehende Rehabilitationsleistungen für viele Menschen mit Behinderung und erheblichen Teilhabestörungen ein notwendiges, alternativloses Leistungsangebot sind. Die betroffenen Menschen sollten die Leistungsform der Rehabilitation nach ihren Bedürfnissen wählen können. Über Erfahrungen bei der Gründung von MoRe-Diensten berichteten Herr Wolters, St. Franziskus-Hospital Münster, und Herr Ribbert-Elias, St. Franziskus-Hospital Ahlen. Die abschließende Podiumsdiskussion, an der neben mehreren Referenten auch Herr Prof. Behrens von der Universität Halle-Wittenberg teilnahm, widmete sich der betriebs- und volkswirtschaftlichen Perspektive „Lohnt sich Mobile Rehabilitation?“

Die Moderation von Diskussionen im Plenum, in den Workshops und die Berichterstattung über die Workshops übernahmen Dr. Reuther (ANR Ahrweiler), Dr. Warnach (Ev. Johannesstift Berlin), Herr Blatt (vdek), Frau Schweizer (iso-Institut Saarbrücken), Dr. Steffens (Diakonisches Werk der EKD), Dr. Neubart (Sana-Klinikum Berlin-Lichtenberg) und Frau Dr. Reinsberg (DVfR). Weitere Mitwirkende waren Herr Ludwig (Forum Gehirn e.V., Berlin), Prof. Schupp (Neurologische Rehabilitationsklinik Herzogenaurach), Frau Fröhling (Diakonie Krankenhaus Wehrda), Frau Dr. Metz (Geriatrisches Zentrum Karlsruhe), Dr. Lübke (KCG Hamburg), Frau Schimke (Wichernkrankenhaus Berlin), Frau Sinner (mark, Karlsruhe) und Herr Uloth (Diakoniekrankenhaus Wehrda), die Beiträge in den Workshops vortrugen.

Ergebnisse des Symposiums:

  • Zunächst sollten alle Anstrengungen darauf konzentriert werden, den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, statt (methodisch) schwierige Wirtschaftlichkeitsnachweise zu verlangen.
  • Ein betriebswirtschaftlicher oder volkswirtschaftlicher Nachweis darf nicht nur die Kosten-Nutzen-Relation auf der Ebene der Sozialleistungsträger betrachten, sondern muss die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen und die Stützung der Familien einbeziehen. Der Teilhabebeitrag durch MoRe muss zudem in einen sozialethischen Diskurs auch im Zusammenhang mit den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention eingebettet sein. Eine Zukunftsaufgabe der Gesellschaft ist die Stärkung der primären sozialen Netze, und dazu kann MoRe beitragen.
  • Die Anbindung von MoRe-Diensten an Einrichtungen oder Einbindung in Versorgungsverbünde ist sinnvoll und daher als Zukunftsaufgabe zu betrachten. Denn dadurch lässt sich die schwierige Anlaufphase nach der Gründung des Dienstes (Finanzierung, Personaleinsatz) sowie der Patientenzugang leichter organisieren.
  • Um Gründungshemmnisse zu überwinden, ist vor allem auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) wird zum Beispiel eine Umsetzungsrichtlinie zur Rahmenempfehlung „Mobile geriatrische Rehabilitation“ vorlegen, dies berichtete Herr Blatt.
  • Mehrfach angesprochen wird das inhomogene, nicht kompatible Sozialleistungsrecht in Deutschland, das viele notwendige Anpassungen im Leistungsbereich hemmt; die ordnende Funktion des SGB IX ist nicht ausreichend wirksam.
  • Die BAG MoRe verfolgt das Ziel, 20 neue MoRe-Dienste zu gründen. Mit diesen Erfahrungen sollte dann ein flächendeckender Ausbau erfolgen.
  • Bei der Rahmenempfehlung zur Mobilen geriatrischen Rehabilitation besteht Weiterentwicklungsbedarf, entsprechende Handlungsfelder hat die BAG MoRe benannt.
  • MoRe-Angebote sollten auf weitere Patientenkreise und auf andere Träger von MoRe-Diensten ausgeweitet werden.
  • Durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit muss der Ausbau von MoRe unterstützt werden; ebenso ist mehr Unterstützung durch die Selbsthilfeverbände erforderlich.

Als Vorsitzender der BAG Mobile Rehabilitation und der DVfR dankte Dr. Schmidt-Ohlemann allen Beteiligten für die wertvollen Impulse und die zugesagte Unterstützung zum bedarfsgerechten Ausbau der Mobilen Rehabilitation.

Downloads:

Der vollständige Bericht zum Symposium:
Veranstaltungsbericht

Präsentationen der Referenten:

30 Monate Gesetzesänderung – was hat sie bewirkt?
Präsentation Herr Dr. Winkler

Aktueller Stand Mobile Reha und Erfahrungen zur Wirtschaftlichkeit
Präsentation Dr. Schmidt-Ohlemann

Lohnt sich Mobile Reha betriebswirtschaftlich – volkswirtschaftlich?
Präsentation Dr. Schmidt-Ohlemann

Mobile Reha: Demographischer und Ökonomischer Rahmen
Präsentation Herr Reiners

Mobile Reha als neue Versorgungsform
Präsentation Frau Polak

Mobile Reha in der Neurologie aus Sicht der GKV
Präsentation Frau Dr. Grotkamp

Zukunftsbewältigung mit Mobiler Reha aus Sicht des MDS
Präsentation Herr Dr. Gronemeyer

Zukunftsbewältigung mit Mobiler Reha aus Patientensicht
Referat Frau Lorenz

Konzept und Fragen zur Wirtschaftlichkeit der MoGeRe
Präsentation Herr Wolters