16.12.2024

Bericht: Fachveranstaltung „Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen“

Am 19.11.2024 fand die Online-Fachveranstaltung „Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen“ statt. Die Veranstaltung wurde von der DVfR unter Federführung des Fachausschusses „Bildung, Erziehung und Schule“ gemeinsam mit dem Verband Sonderpädagogik (vds) durchgeführt. Die zentrale Fragestellung der interdisziplinären Veranstaltung war, welche pädagogischen, therapeutischen und rehabilitativen Optionen die Bildungsteilhabe junger Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen nachhaltig stärken können. Daneben wurden diagnostische und medizinische Aspekte betrachtet. Die Vorträge und Diskussionsrunden orientierten sich dabei an den Kontextbedingungen in den verschiedenen Lebensabschnitten von der Kita bis zur Hochschule.

Die Veranstaltung stieß auf ein sehr großes Interesse und konnte rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verzeichnen. Nach einer Begrüßung durch Dr. med. Matthias Schmidt-Ohlemann, Manfred Weiser (beide DVfR) und Dr. Angela Ehlers (vds) wurde die Veranstaltung thematisch durch ein Impulsreferat von Prof. Dr. Annedore Prengel eingeleitet. Prof. Prengel sprach zum Thema „Heterogene Entwicklungs- und Bildungsverläufe: eine Herausforderung für die Pädagogikethik“.

Darauf folgte ein digitales Podiumsgespräch mit kurzen Statements aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema „Bildungsteilhabe von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen“. Den Anfang machte Dr. Kerstin Petersen von der Sozialbehörde der Stadt Hamburg. Sie stellte das in Hamburg erfolgreiche Konzept einer gemeinsamen Rahmenvereinbarung zwischen der Sozial- und der Bildungsbehörde vor. Ziel sei es, in schulischen Räumlichkeiten gemeinsame individualisierte Angebote von Fachkräften aus Schule und Jugendhilfe für in ihrer Bildungsteilhabe bedrohte Kinder und Jugendliche durchzuführen. So wird durch einen multiprofessionellen Ansatz das Knowhow der Jugendhilfe mit dem der Schulen kombiniert, um Teilhabe zu gewährleisten.

Heike Petereit-Zipfel vom Bundesverband der Angehörigen psychisch kranker Menschen sprach sich in ihrem Statement für einen Paradigmenwechsel in den Bildungsverläufen aus, um etwa durch flexible Stundenpläne und eine Anpassung der Lehrpläne zu einer tatsächlichen Teilhabe an Bildung zu kommen. Sie stellte zudem die Idee vor, geschulte Peers im Schulalltag zur Unterstützung von in ihrer Teilhabe an Bildung bedrohten Kindern und Jugendlichen einzusetzen.

Der dritte Redner, Uwe Runkel, Schulleiter der Friedenauer Gemeinschaftsschule in Berlin, berichtete von den sehr großen Herausforderungen durch Schülerinnen und Schüler mit psychischen Beeinträchtigungen. Er betonte die Wichtigkeit des Präventivansatzes und die Notwendigkeit zur Reflexion darüber, welche Rolle die Schule selbst an den wachsenden Bedarfen der Kinder und Jugendlichen habe. Hier sei die Haltequalität einer Schule besonders bedeutsam, damit Kinder und Jugendliche nicht in Schulabsentismus geraten. Die Zusammenarbeit mit Eltern lasse den Verbindungsfaden zwischen Schule und Familien nicht reißen.

Ebenfalls aus pädagogischer und auch aus eigenbetroffener Sicht beleuchtete Angelika Sarrazin, Diplompädagogin und Doktorandin an der Universität Halle, das Thema. Sie benannte Empathie, Solidarität, Respekt und Demokratiebildung als wichtige Schlagwörter im grundsätzlichen Umgang miteinander und insbesondere im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit psychischen Beeinträchtigungen und sprach sich dezidiert dafür aus, Menschen mit Beeinträchtigungen als pädagogische Fachkräfte auszubilden und vor allem im Schuldienst zu halten. Diese könnten ein wichtiges Vorbild für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen sein.

Das abschließende Statement hielt Prof. Dr. Felix Welti, Universität Kassel. Er machte deutlich, dass das Recht auf Bildung für alle gelte; es sei ein subjektives Recht aller Kinder und Jugendlichen und u. a. abzuleiten aus dem Benachteiligungsverbot. Zuletzt sei das Recht auf Bildung durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.11.2021 klargestellt und geschärft worden.

Am Nachmittag folgten insgesamt acht gut besuchte Impulsrunden in zwei Panels mit je vier parallelen Vorträgen und anschließenden Diskussionsrunden. Die thematische Bandbreite erstreckte sich von der frühkindlichen über die schulische und berufliche bis zur hochschulischen Bildung.

Vorträge der Referierenden

Prof. em. Dr. Annedore Prengel: „Heterogene Entwicklungs- und Bildungsverläufe: eine Herausforderung für die Pädagogikethik“

Eine Angehörigenperspektive von Heike Petereit-Zipfel

Impulsrunde 1 | Dr. med. Christian Fricke: „Kita – Anspruch und Wirklichkeit“

Impulsrunde 2 | Prof. Dr. Sven Basendowski und Dr. Janet Langer: „Armut als spezielle Herausforderung des pädagogischen Umgangs mit psychischen Beeinträchtigungen habitussensibel mitdenken“

Impulsrunde 3 | Hans-Walter Kranert: „(Neu)Start in Ausbildung – eine kooperative Aufgabe“

Impulsrunde 4 | „Teilhabe an hochschulischer Bildung“
Jens Kaffenberger
Dr. Maike Gattermann-Kasper

Impulsrunde 5 | Kathrin Hellmuth und Ines Scheideck: „Einblick in die Kita-Sozialarbeit am Beispiel der Kita „Friedrich Fröbel“ in Sangerhausen“

Impulsrunde 6 | Dr. Tobias Hensel: „Brüche in schulischen Bildungsbiografien“

Impulsrunde 7 | Dr. Karsten Rudolf und Dr. Martin Holler: „Bildungsteilhabe durch die Kooperation von Psychiatrie und BBW“

Impulsrunde 8 | Angelika Sarrazin: „Gelingensbedingungen inklusiver Hochschulbildung unter Neurodiversitätsgesichtspunkten“